Über vier Jahre hinweg beobachtete Marcus Vetter den schwierigen Wiederaufbau eines Kinos in Jenin im Westjordanland, das seit dem Ausbruch der ersten "Intifada" im Jahr 1987 leer stand. Vetter wurde auf die Ruine bei den Dreharbeiten zu seinem Dokumentarfilm
Das Herz von Jenin (Marcus Vetter, Leon Geller, Deutschland, Israel 2008) aufmerksam und beschloss mit dem Protagonisten Ismael Khatib, das Kino zu renovieren. Aus persönlicher Sicht hält er fest, wie palästinensische Aktivisten/innen und internationale Freiwillige mit Finanzhilfe vom Auswärtigen Amt in Berlin alle Hindernisse und Widerstände überwinden, bis das Kino als Ort der Völkerverständigung im August 2010 wieder eröffnet wird.
Der Autor und Regisseur Marcus Vetter präsentiert die Geschichte in der Form eines filmischen Tagebuchs und
montiert geschickt aktuelle Beobachtungen und Statements mit Archivaufnahmen. Als teilnehmender Beobachter ist Vetter oft selbst im Bild, erläutert die Stationen der Bauarbeiten und macht als Projektleiter, Regisseur und Erzähler in Personalunion seine betont subjektive Erzählperspektive transparent. Durch diese Gestaltungsform bietet
Cinema Jenin zugleich Angriffsflächen für Vorwürfe, wonach der Film die Rolle der arabischen Projektunterstützenden verkürzt darstellt und zu einseitig für die Anliegen der Palästinenser Partei ergreift.
Cinema Jenin ist zudem ein besonderer Fall medialer Selbstreferenzialität, da er aus Vetters Vorgängerfilm
Das Herz von Jenin hervorging.
Der Film bietet reichlich Anknüpfungspunkte für eine vertiefte Analyse der Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern, Judentum und Islam. So zeigt er unter anderem, wie schwierig die Spendensuche für das Projekt war, weil das Flüchtlingslager von Jenin lange als Terroristen-Hochburg galt. Im Unterricht können die Schüler/innen erörtern, inwiefern das Kino- und Kulturprojekt Modellcharakter für eine nachhaltige Entwicklung im Nahen Osten zur besseren Völkerverständigung entfalten kann. Um den zugrundeliegenden Dauerkonflikt besser zu verstehen, sollten sie Hintergrundinformationen selbst recherchieren.
Cinema Jenin liefert zudem Denkanstöße für die zivilgesellschaftliche Kooperation, indem er aufzeigt, worauf freiwillige Helfer/innen in einem fremden kulturellen Umfeld achten müssen. Nicht zuletzt kann diskutiert werden, wo die Methode der teilnehmenden Beobachtung an ihre Grenzen stößt.
Autor/in: Reinhard Kleber, 25.06.2012
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