Auf der Suche nach Inspiration reist der Nachwuchsfilmemacher David Sieveking von Berlin in die USA zu seinem Idol David Lynch. Der für legendäre Mysterythriller wie etwa
Mulholland Drive (USA 2001) berühmte Regisseur hält dort einen Workshop über Kreativität, die er selbst aus Transzendentaler Meditation (TM) schöpft. Auch Sieveking lässt sich in diese Meditationstechnik einweisen, die in den 1960er-Jahren durch prominente Anhänger wie den Beatles weltbekannt wurde. Doch je intensiver er sich mit TM befasst, desto mehr entpuppt sich die spirituelle Gemeinschaft als profitorientiertes Unternehmen mit dubiosen Praktiken.
Als Selbstfindungstrip und investigatives Roadmovie inszeniert, präsentiert Sieveking einen Enthüllungsfilm – ähnlich wie Michael Moore zuletzt mit
Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte (USA 2009) – und sich selbst als Protagonist darin. Anders als in konventionellen Dokumentationen, in denen der Reporter Fragensteller bleibt, erläutert er als Ich-Erzähler aus dem Off selbstironisch seinen persönlichen und künstlerischen Findungsprozess. Dabei spürt er - anfangs beiläufig, später gezielt - der Geschichte, dem internationalen Einfluss und den Missständen der TM-Bewegung nach. Mit seinen wachsenden Zweifeln werden die Interviews mit David Lynch und weiteren TM-Anhängern/innen konfrontativer, die szenischen Beobachtungen ernüchternder. Es folgen Gespräche mit Aussteigern/innen sowie entlarvende Aufnahmen von den Wirkungsstätten des während der Dreharbeiten verstorbenen Gründergurus Maharishi Mahesh Yogi in Indien, der Schweiz und der niederländischen TM-Zentrale.
Durch die unterhaltsame Ich-Perspektive leistet
David Wants to Fly auf eingängige Weise Aufklärungsarbeit. Das im Film aufgezeigte Faszinations- und Gefahrenpotenzial von TM kann als Basis für eine kritische Auseinandersetzung mit spirituellen Erfahrungen, sektenähnlichen Bewegungen und Sekten dienen. Doch weil der Film einen sehr persönlichen Blick auf TM wirft, sind vertiefende Recherchen etwa zur Einordnung der TM-Bewegung oder zu deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einfluss in Deutschland unbedingt zu empfehlen. Allerdings lassen gerade die offenen Fragen Raum zur eigenen Meinungsbildung. Im Anschluss an eine Recherche aktueller und historischer Vorstellungen von Inspirations- und Kreativitätsquellen können ihre gesellschaftliche Akzeptanz in der Vergangenheit und heute hinterfragt werden.
Autor/in: Marguerite Seidel, 04.05.2010
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