In Wirtschaftsthrillern haben meist kalt kalkulierende Kriminelle das Sagen. Mark Whitacre, Protagonist in
Der Informant!, ist dagegen ein eher phlegmatisch wirkender Gemütsmensch in Diensten des Agrarkonzerns ADM. Als er illegalen Preisabsprachen innerhalb der eigenen Branche auf die Spur kommt, bietet sich der hoch bezahlte Biochemiker dem FBI als Maulwurf an. Ausgerüstet mit versteckten Mikrofonen und Kameras, beliefert er die Ermittlungsbehörde mit Aufzeichnungen aus geheimen Firmenbesprechungen. Dass Whitacre sich immer öfter in Widersprüche verstrickt, schreckt das FBI nicht ab. Denn wer sich derart ungeschickt anstellt, kann unmöglich ein Lügner sein. Am Ende erweist sich Mark Whitacre jedoch als zwanghafter Schwindler mit unklaren Absichten. Wollte er den eigenen Konzern ruinieren, um an dessen Spitze zu gelangen? Oder sollten die absurden Aktionen davon ablenken, dass er Firmengelder in Millionenhöhe veruntreut hat? Nicht nur das FBI ist ratlos.
Dass
Der Informant! auf einem wahren Fall beruht, sprengt fast die Grenzen der Glaubwürdigkeit. Regisseur Steven Soderbergh inszeniert Whitacres Eskapaden als kriminalistische Hochstaplerkomödie mit parodistischen Zügen, was sich vor allem in der
Musik bemerkbar macht: Der optimistische Swing der Nachkriegszeit dient als Kontrapunkt zur nicht per se komischen Handlung. Diese besteht vor allem aus verschwörerischen Geschäftsterminen in dunklen Hinterzimmern. Als weiteren Verfremdungseffekt taucht Soderbergh die Ereignisse der 1990er-Jahre in das wärmere Design der 1970er. Diese Stilisierung entspricht der Selbstwahrnehmung Whitacres, der als eingebildeter James Bond und höchst unzuverlässiger Erzähler auch das Kinopublikum narrt. Sein innerer Monolog aus dem
Off besteht aus surrealen Abschweifungen ohne Bezug zur Handlung. Sie nähren allerdings frühzeitig Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit.
Auch dank dieser Verfremdungen schimmert durch das geistreiche Schelmenstück immer die Tragödie. Nicht nur handelt es sich bei Marc Whitacre um einen psychotischen Zwangscharakter, der zwischen Wahrheit und Lüge nicht zu unterscheiden weiß. Sein zeitweiliger Erfolg weist über das individuelle Schicksal hinaus. Hat doch der wahnhafte Glaube an Spekulation, teures Insiderwissen und immer größere Profite die Finanzwelt zuletzt an den Abgrund geführt. Anhand seiner von Matt Damon glänzend dargestellten Hauptfigur entlarvt
Der Informant! das moderne Wirtschaftsleben als Selbsttäuschung mit System.
Autor/in: Philipp Bühler, 04.11.2009
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