Im Jahr 1633, während des Dreißigjährigen Kriegs, brach im bayerischen Dorf Oberammergau die Pest aus. In ihrer Not gelobten die Bewohner/innen, alle zehn Jahre die Passionsgeschichte Jesu in einem großen Theaterstück darzustellen, sollte das Leiden im Dorf ein schnelles Ende nehmen. Diese Tradition haben die Oberammergauer bis heute bewahrt – im Herbst 2010 fanden die Passionsspiele bereits zum 41. Mal statt. Zwei Jahre lang begleitete Regisseur Jörg Adolph die Vorbereitungen der sechsstündigen Aufführung, in deren Rahmen rund 2.000 Laiendarsteller/innen auf der Bühne standen, und die etwa eine halbe Million Menschen aus aller Welt besuchten.
Im Zentrum des Dokumentarfilms steht der charismatische Spielleiter Christian Stückl, der nach 1990 und 2000 zum dritten Mal die Regie der Festspiele übernahm. Ohne Kommentar aus dem Off und mit einer dem Direct Cinema verpflichteten Inszenierung begleitet das Filmteam Stückl und andere Protagonisten/innen bei der Lösung organisatorischer Probleme: von der Besetzung der wichtigsten Rollen über die Finanzierung des Mammutprojekts bis zur Auswahl der Kostüme. Aber nicht nur: Die Kamera ist dabei, wenn Stückl mit seinem Team zur Einstimmung nach Jerusalem reist, sich mit dem Gemeinderat streitet oder mit Vertretern jüdischer Organisationen über die zeitgerechte Darstellung der Passionsgeschichte diskutiert. Auf diese Weise gestattet
Die große Passion wiederholt auch überraschende Einblicke in den Produktionsprozess des Stücks.
Der umfassende Blick hinter die Kulissen der Oberammergauer Passionsspiele liefert Anknüpfungspunkte für den Unterricht. So können Referatsgruppen die verschiedenen Arbeitsbereiche und Bestandteile der Aufführung, die auch in anderen Theaterstücken ihre Gültigkeit haben, mit Beispielen aus dem Film beschreiben: Welche Aufgaben müssen Regie, Schauspieler/innen oder Kostümbildner/innen erfüllen? In welchen Bereichen und aus welchen Gründen müssen die Organisatoren/innen Kompromisse eingehen? Zudem bieten sich Fragen nach der Funktion von Traditionen und deren Verhältnis zur Gegenwart an. Die Überlegung, inwieweit sich die Passionsspiele im Verlauf ihrer Geschichte an den jeweiligen Zeitgeist angepasst haben (oder gerade nicht), kann eine Diskussion in dieser Richtung eröffnen.
Autor/in: Christian Horn, 16.11.2011
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