Das Interview führte Margret Köhler.
Was war Ihr erster Gedanke, als man Ihnen das Buch anbot?
Erst einmal lockte mich die Herausforderung. Da wieder ein kleines Mädchen im Zentrum stand, das im Grunde die Welt besser als seine Eltern versteht, habe ich überlegt, wie ich daraus meine Geschichte machen könnte und den Schwerpunkt auf die Ehe der Eltern verlagert. Mich interessiert diese Entwicklung der Jettl von der verwöhnten Tochter aus gutem Hause, die dann unmerklich in Afrika eine eigene Welt, ein neues Zuhause findet und zur selbstständigen Frau wird. Der Protagonist meines Films ist die Familie.
Was bedeutet Ihnen Familie?
Obwohl ich eine harmonische Kindheit erlebte, reizt es mich, die Dynamik in einer Familie zu ergründen: Wer fühlt sich zu wem besonders hingezogen? Welche Kränkungen und Verletzungen entstehen daraus? Wie entsteht Liebe und wie hält sich Liebe über eine lange Zeit? Ist es überhaupt Liebe oder nur ein Verbundenheitsgefühl? Dieser Komplex war das Spannende an dem Roman von Stefanie Zweig.
Bisher waren die Dreharbeiten zu Ihren Filmen überschaubar, in Kenia erwartete Sie ein Riesenprojekt mit schwieriger Logistik. War Ihnen mulmig zumute?
Mehr als das. Ich hatte eine wahnsinnige Angst, ob ich das überhaupt körperlich durchstehe. Wir drehten auf einer Hochebene von über 1800 Metern in großer Hitze und das drei Monate lang. Aber wenn ich mitten in der Arbeit stecke, vergesse ich meine Ängste und Schwächen, fühle plötzlich eine unheimliche Energie. Ich habe bei mir beobachtet, dass ich selbst stärker werde, wenn die anderen Ängste haben.
Wie reagierten die Einheimischen, als so ein Team in ihre Welt "hereinbrach"?
Es gibt viele Arbeitslose und viel Armut. Die Menschen stehen Schlange, um einen Job beim Film zu ergattern. Es war für meine Kollegen schwierig Nein zu sagen angesichts des Elends. Da Produzent Peter Herrmann als Ethnologe die afrikanischen Verhältnisse kennt, liefen die Vorbereitungen relativ komplikationslos. Ich war erstaunt, wie motiviert die Leute mitmachten. Obgleich es ihnen sicherlich merkwürdig erschien, dass die Weißen auf so eine junge, kleine Frau hörten. Nur dass ich weder Mann noch Kinder habe, durften wir ihnen nicht sagen, das wäre ein Armutszeugnis gewesen.
Szene aus "Nirgendwo in Afrika"
Haben Sie den Mythos "Afrika" gefunden?
Man muss sich sehr in Acht nehmen vor den eigenen Klischeevorstellungen. Ich wollte Afrika nicht abbilden wie in den Vorabendserien mit Sonnenuntergängen und Safari und auch nicht in Landschaften schwelgen.
Nirgendwo in Afrika ist kein Hollywoodfilm à la
Jenseits von Afrika. Ich versuche einen ehrlichen Blick auf das Land zu werfen, nicht ein künstliches Paradies zu vermitteln. Deshalb haben wir auch in Kenia gedreht und nicht in Südafrika, was von der Infrastruktur her sicher einfacher gewesen wäre. Aber mir lag daran, die typische Atmosphäre rüberzubringen. Das geht nur mit den Menschen, die im Land leben. Zulus als Massai zu verkleiden wäre nur ein schlechter Maskenball.
Es geht auch um Heimat bzw. die Sehnsucht danach. Der jüdische Anwalt Redlich will nach dem Krieg trotz allem wieder nach Deutschland zurück ...
Ich kann das schon verstehen, er fühlte sich in Afrika intellektuell unterfordert, vermisste die Sprache, seinen Beruf, die Bücher, die Auseinandersetzung mit Gleichgesinnten. Ich dachte bisher, Heimat ist da, wo die liebsten Menschen sind, aber das stimmt nicht. Heimat ist mehr, dazu gehört auch die kulturelle Verbundenheit. Er ging als Idealist zurück in dem festen Glauben, an einem neuen und besseren Deutschland mitarbeiten zu können. Viele Menschen zerbrachen im Exil an ihrem Schicksal. Ich kenne keine Filme, die sich mit diesem speziellen Aspekt beschäftigen. Wenn ein Thomas Mann nach Santa Monica zieht, ist das etwas anderes, als wenn kleine Leute in den absonderlichsten Ecken der Welt landen und mit einem Köfferchen vor dem Nichts stehen. Man sagt, die Juden, die früh genug gegangen sind, hätten Glück gehabt. Aber darüber, wie es ihnen im Exil erging, weiß man relativ wenig.
Kamen Sie sich in Afrika nicht hilflos vor gegenüber all der Not?
Wir haben nächtelang diskutiert, wie sollen wir uns verhalten? Ist es richtig, wie ein Weihnachtsmann mit Gütern um sich zu werfen und das Klischee des reichen Onkels zu verstärken? Wir gründeten die Stiftung "Mukutani Foundation", um im Dorf, wo wir gedreht haben, sinnvolle Hilfe zu leisten. Es ist eine Verbindungsstraße zum nächsten Ort geplant und die Unterstützung eines Waisenhauses in Nairobi.