Das Interview führte Margret Köhler.
Wo liegt der Schnittpunkt zwischen der Jugend heute und der in
Was nützt die Liebe in Gedanken?
Ich glaube, der Unterschied ist nicht sehr groß. Die Themen Erste Liebe und Rebellion, Abgrenzung von der Erwachsenenwelt und die ganze Gefühlsverwirrung sehe ich nicht an eine bestimmte Zeit gebunden. Mir kommt das alles sehr bekannt vor, auch der Anspruch, den die Jugendlichen formulieren: Das Leben muss mehr bieten als einen Kompromiss. Diese Rigorosität, sich nicht mit dem Erwachsenenleben als Aneinanderreihung von Kompromissen abzufinden, halte ich für ein Privileg der Jugend und überhaupt nicht für antiquiert.
Aber hat die Jugend im Jahr 2004 wirklich noch den Drang zu diesem Nonkonformismus und zur Vollkommenheit? Statt Poesie schreibt man heute E-Mails.
Das sind nur Äußerlichkeiten. Ob ich ein Gedicht auf edlem Büttenpapier verfasse oder einen Liebesgruß per SMS verschicke, bleibt sich doch gleich. Ich hatte nicht das Gefühl, mir etwas zurechtzubiegen. Beim Drehbuchschreiben haben Hendrik Handloegten und ich darauf geachtet, die Geschichte mit persönlichen Erlebniswelten anzufüllen. Herzklopfen kennt jeder von uns. Dieses "Eimertrinken" ist auch keine Seltenheit. Und wenn die Jugendlichen am Morgen nach der Party völlig fertig auf der Wiese hocken, erinnert mich das an den Morgen nach der Love Parade, wenn die Teilnehmer nicht glauben wollen, dass das rauschende Fest vorbei ist. Dieses verzweifelte Gefühl, etwas festzuhalten, was uns entgleitet, gehört zum Menschen. Den hohen Punkt zu erreichen und dann Schluss zu machen, ist auch nicht nur ein Phänomen der 1920er Jahre oder der Romantik. Denken Sie an die 1950er Jahre und
... Denn sie wissen nicht, was sie tun. Wo liegt da der Unterschied, wenn James Dean ins Auto steigt und Gas gibt?
Erst lehnten Sie das Projekt aus Angst vor den Klischees der 20er Jahre ab, dann haben Sie doch zugesagt. Warum die Wandlung?
Ein historischer Film interessiert mich nicht und ich wusste erst nicht, wie ich die Handlung authentisch und unmittelbar rüberbringen sollte. Da musste ich wahnsinnig aufpassen, dass man nicht darüber nachdenkt, wann der Film spielt. Deshalb habe ich jede Kulisse – und damit meine ich auch die Dialoge – in den Hintergrund gerückt und auf eine genaue Rekonstruktion jener Zeit verzichtet. Ich wollte die Geschichte auch nicht in meiner Jugend in den 1980er Jahren ansiedeln, sondern allgemeiner angehen. Ich bin gespannt, wie die jungen Zuschauer reagieren. Ich könnte mir vorstellen, die haben weniger ein Problem mit dem Gedankengut von damals, als mit der Tatsache, dass man dem Film anmerkt: Der Regisseur ist keine 18 mehr, wenn er von Jugend und dem Scheitern der Ansprüche erzählt.
Gehört Orientierungslosigkeit zur Jugend?
Ganz sicher. In dieser Phase will man langsam herausfinden, wo der Platz im Leben ist. Diese Beziehungslosigkeit, die ewige Suche sind genuin jugendlich. Da geht es doch um die Frage: Bin ich nur ein Staubkorn im Universum oder das Universum selbst? Die Wahrnehmung wechselt in diesem Alter ständig.
Heute fühlen sich selbst 70-Jährige noch jung.
Manchmal ist es schon würdelos, wie lange die Leute glauben, jung zu sein. Jugend ist etwas Kostbares, weil sie so kurz ist. Aber Jugendliche wollen schnell erwachsen und ernstgenommen werden.
In Ihrem Film schwingt immer eine unterschwellige Erotik mit.
Von diesen Jungs musste etwas Besonderes ausgehen, eine latente Erotik. Die ist heute fast verschwunden. Aber es kann nicht immer endlos so weitergehen mit dem Siegeszug der Pornografie, der Zurschaustellung sämtlicher Geschlechtsteile wie in der Werbung, die auf den direkten Reiz setzt. Das wird sich ändern, irgendwann wollen wir wieder das Verborgene, das Geheimnis im anderen entdecken.
Sie schildern auch den Zusammenprall zweier Lebenswelten und -entwürfe. Die beiden männlichen Protagonisten entstammen unterschiedlichen sozialen Schichten, reagieren unterschiedlich auf Gewalt.
Natürlich lebt es sich leichter, wenn man nie für etwas kämpfen musste wie die beiden Kids aus bürgerlichem Haus. Für Günther und Hilde ist ein gewisser Luxus selbstverständlich. Sie sind das Nehmen gewöhnt. Paul Krantz dagegen, der spätere Schriftsteller Ernst Erich Noth, war ein echtes Proletarierkind. Und das wirft nicht so leichtfertig sein Leben weg, weil es sich schon in frühen Jahren erst einmal durchsetzen musste.
Wie haben Sie recherchiert?
Wir hatten eine riesige Recherchesammlung, alles, was über die in Vergessenheit geratene Steglitzer Schülertragödie von 1927 existierte, wurde zusammengetragen. In das Material habe ich mich erst einmal hinein vertieft. Hinzu kamen die Informationen über den Zeitgeist, die Musik, die Filmclubs, die Tanztees.
Aber man erfährt wenig über die gesellschaftlichen Bezüge in den 1920er Jahren und über die Weimarer Republik.
Das Fieber der 20er Jahre hatte keinen wirklichen Einfluss auf die Geschichte. Unser Budget betrug 2,5 Mio. Euro und nicht sieben, wie wir mal angedacht hatten. Da muss man sich beschränken. Aber ich wollte auch nicht durch zuviel Hintergrund vom Kern der Erzählung ablenken.