Das Interview führte Margret Köhler.
Im Fernsehen wird auf allen Kanälen der Superstar gesucht. Hat die Realität Ihren Film nicht eingeholt? Auch Ihre Protagonisten wollen Stars werden.
Diese Sendungen haben mich nie beunruhigt. Die Frage nach dem Star stand nie im Vordergrund, sondern vielmehr die Frage: Wie viel geben sie von sich auf, welchen Druck müssen sie überstehen? Die Schauspielschule "Ernst Busch" betrachtet sich als Eliteinstitution. Die Schüler müssen erst ein Selektionsverfahren durchlaufen und dann tagtäglich beweisen, dass sie der Institution würdig sind. Die anfängliche Euphorie ließ schnell nach, es folgte harte Arbeit, ein hartes Sich-Beweisen. Deshalb halte ich
Die Spielwütigen eher für einen Gegenentwurf zu diesen Shows, die für mich eine Art Durchlauferhitzer sind. Da wird jemand nach oben gepumpt und ist dann wieder ganz schnell weg vom Fenster. Der Apparat erinnert mich an eine gefräßige Maschine, die neue "Talente" verschlingt und wieder ausspuckt. Ich dagegen zeige, wie hart es ist, nach oben zu kommen, da geht es nicht um sechs Wochen und "Hoppla, da bin ich"-Mentalität. Die Kurve steigt langsam an und hält sich aber auch viel länger. Wenn man einen Zusammenhang konstruiert, würde ich sagen, das Verhältnis ist komplementär. Mein Film ergänzt die Perspektive des Durchlauferhitzers.
Die Überlebenden hieß 1996 ein Dokumentarfilm von Ihnen. Auch Die Spielwütigen sind Überlebende. Was interessiert Sie an dem Thema?
Es hat mich immer interessiert, Menschen in existenziellen Situationen zu erleben, in einem Moment des Umbruchs, der tiefen Einblick ermöglicht. Die Selbstkontrolle ist da eine ganz andere. Ich kriege mit, wie Menschen sich verändern, sich ausliefern und welche Auswirkungen Brüche auf die Biografien haben. Das geht an die Substanz.
Was macht den Reiz einer Langzeitbeobachtung aus?
Große Entwicklungssprünge finde ich einfach spannend. Hier gucke ich mir Leute an, die diesen mythenhaft aufgeladenen Beruf Schauspieler wählen, beobachte, wie sie sich abnützen, wie sie gegen Strukturen anrennen, was von ihren Träumen übrig bleibt und – ganz wichtig – was die Institution Schule aus ihnen macht. Mich reizte die Herausforderung, an einen Punkt zu kommen, den ich noch nicht kenne. Es stellten sich die Fragen: Wie werden die jungen Menschen erwachsen, wie mit ihren Selbstzweifeln fertig, was wird aus ihren Träumen? Ich habe mich erstmals auf eine Langzeitbeobachtung eingelassen, wo ich wie beim Pferderennen auf bestimmte Leute setze und nicht weiß, wie es mit ihnen weitergeht – auch im Gegensatz zu
Black Box BRD, den ich parallel drehte. Da wusste ich vor jedem Interview genau, was ich haben wollte und wie ich durch eine gute Vorbereitung einen sehr exakten Fahrplan mit allen Anschlüssen erreichen konnte.
Hat sich das Verhältnis zwischen Ihnen und den Protagonisten im Laufe der Jahre verändert?
Bei allen fand ein Emanzipationsprozess mir gegenüber statt. Am Anfang schenkten sie mir als Regisseur bedingungsloses Vertrauen. An einem bestimmten Punkt wurde ihnen klar, dass es sich um ihr Leben handelt. Im ersten Jahr war ich immer da – als Anwalt, Mentor, Trainer, Regisseur, Papa, einfach alles. Wenn ich zwischenzeitlich an
Black Box BRD arbeitete, fühlten sie sich verlassen und waren sauer über den vermeintlichen Liebesentzug.
Was interessiert Sie an Institutionen?
Vor allem die Abhängigkeiten, die Machtfrage, die Privilegien und Sanktionen, mit denen man Menschen ködert beziehungsweise in die Schranken weist. Institutionen führen ein Innen- und Eigenleben, sind ein seltsamer Mikrokosmos, das habe ich bei meinen Gefängnis-Theaterinszenierungen gemerkt, bei der RAF wie bei der Deutschen Bank.
Wie würden Sie den Kamera-Stil bei diesem Film beschreiben?
Als eine physische Kamera, eine, die sich keine Nähe borgt, sondern die meine gewachsene Nähe zu den Protagonisten organisch überträgt. Das heißt also nicht, dass irgendwo ein Stativ aufgebaut ist und wir tun so, als gäbe es uns nicht. Wir waren sehr präsent, Teil des Prozesses, und sind den Leuten mit der Handkamera auf die Pelle gerückt.