Kunst und Künstler im Dritten Reich
"Dieses Reinemachen unserer Kultur hat sich auf fast alle Gebiete zu erstrecken. Theater, Kunst, Literatur, Kino, Presse, Plakat und Auslagen sind von den Erscheinungen einer verfaulenden Welt zu säubern und in den Dienst einer sittlichen Staats- und Kulturidee zu stellen ... Das Recht der persönlichen Freiheit tritt zurück gegenüber der Pflicht der Erhaltung der Rasse."
Nachlesen konnte man diese politischen Vorstellungen seit 1925 in Hitlers "Mein Kampf". Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, kontrollierte binnen kurzer Zeit Joseph Goebbels mit seinem "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" das gesamte kulturelle Leben in Deutschland. Die Kunst- und Kulturpolitik im NS-Staat war vor allem rassistische Personalpolitik, denn "die Juden" sollten am Niedergang deutscher Kultur schuld sein. Jüdische und politisch missliebige Künstler wurden gezwungen, Deutschland zu verlassen oder in Konzentrationslager deportiert. Im November 1933 wurde die Reichskulturkammer mit sieben Einzelkammern für Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik, bildende Kunst und Film gegründet. Die Mitgliedschaft war verpflichtend, denn nur wer als Künstler einer entsprechenden Kammer angehörte, hatte Arbeitserlaubnis. Die Kammern schlossen insbesondere Angehörige der "freien Künste" – Maler, Bildhauer, Schriftsteller – aus dem Erwerbsleben aus, denn jüdische Musiker und Schauspieler waren bereits wenige Monate nach der Machtübernahme aus den öffentlichen Orchestern und Theatern entlassen worden. Der fränkische Gauleiter Julius Streicher hatte mittlerweile in seinem auflagenstarken antisemitischen Hetzblatt "Der Stürmer" eine Kampagne initiiert, in der er auf skrupellose Weise für die Verbannung der Juden aus dem öffentlichen Leben plädierte. Das gehässige Gedankengut dieser Publikation ebnete den Weg für die menschenverachtenden Rassengesetze, die 1935 auf dem Reichsparteitag in Nürnberg beschlossen wurden und genau festlegten, wer Jude sein sollte.
Im Dritten Reich waren fast alle Formen moderner Kunst verboten. Wie alle Künste wurde auch die Musik und das Musikleben zensiert und von der Politik bestimmt. Die Zwölftonmusik Arnold Schönbergs wurde ebenso verboten wie Jazz oder Blues, die als 'artfremd' galten. Um Richard Wagner und seine Werke wurde ein mythischer Kult betrieben, in Beethoven feierte man "das Nordische", Mozart wurde nach dem 'Anschluss Österreichs gar zum "heroischen Menschen" stilisiert.
Mit 'völkischer' Ideologie versuchten die Nazis einen nationalsozialistischen 'deutschen' Stil in der Kultur zu etablieren: die verordnete Kunst der Blut- und Boden-Ideologie. Ausgenommen von diesen ideologischen Vorgaben waren zahlreiche deutsche Unterhaltungsfilme, denn Goebbels orientierte sich an Produktionen aus Hollywood, die er persönlich besonders mochte. Für ihn waren nicht politische Filme mit NS-Symbolik, sondern unbeschwerte Unterhaltungsfilme, die etwa 90 % der Gesamtproduktion ausmachten, die beste Propaganda. Massenwirksame Größen des Kulturbetriebs waren auch weniger die im NS-Stil produzierenden Künstler, als reine Unterhaltungsstars wie Zarah Leander, Hans Albers und Heinz Rühmann.
Anders erging es hunderten von jüdischen Musikern, Theater- und Filmschauspielern: Nach den Berufsverboten von 1933 wurden ihre Karrieren abrupt beendet. Diejenigen, die nicht ins Ausland gehen konnten oder wollten – für deutschsprachige Schauspieler ohnehin ein fast aussichtsloses Unterfangen – gründeten in Berlin den "Kulturbund Deutscher Juden", um sich eine weitere berufliche Existenz zu ermöglichen. Sie boten Theater, Oper, Konzerte, Vorträge und Kabarett für ein – zwangsweise – ausschließlich jüdisches Publikum an. Solche Kulturbünde etablierten sich bis 1935 in über hundert deutschen Städten. Von Anfang an waren sie der Kontrolle und Zensur des Propagandaministeriums unterstellt. Bald musste die Bezeichnung "Kulturbund Deutscher Juden" in "Jüdischer Kulturbund in Deutschland" geändert werden, denn 'deutsche Juden' durfte es nicht geben! Erst kurz vor Beginn der Deportationen in die Vernichtungslager 1941 wurde der Kulturbund in Deutschland aufgelöst.
Literaturhinweise (Auswahl):
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Informationen zur politischen Bildung, Bonn, Hefte 123/126/127 (Neudruck 1991), Der Nationalsozialismus. Siehe auch Sonderheft: Leben im Dritten Reich
Fred K. Prieberg: Musik und Macht. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1991
Joseph Wulf: Kultur im Dritten Reich. Eine Dokumentation in fünf Bänden. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main/Berlin 1989.
Autor/in: Astrid Mehmel (punctum, Bonn), 12.12.2006