Interview
Hinter den Kulissen
Ein Gespräch mit Christine Vachon, Produzentin von Happiness
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Christine Vachon
Sie produzieren 'etwas andere' Filme wie Kiss me Guido, Todd Haynes' Filme wie Poison, Safe oder Velvet Goldmine und jetzt Todd Solondz' Happiness. Gibt es einen roten Faden?
Als Produzentin sollte mich auch der Stoff interessieren, ich habe ein Faible für Figuren außerhalb der 08/15-Norm. Um ein Buch zu verfilmen, muss mich die Geschichte packen, provozieren und sie muss sich verkaufen. Ich habe Welcome to the Dollhouse gesehen und wusste sofort, ich will mit Todd Solondz arbeiten. Sein Talent, einzelne Charaktere zu zeichnen, halte ich für außergewöhnlich, ebenso diese Mischung aus wirklich schwarzem Humor, leichter Situationskomik und bitterbösem Gesellschaftsbild.
War es schwierig, Happiness zu verkaufen? Das Thema ist nicht 'politisch korrekt'.
Erst hat man mich für verrückt erklärt und vorausgesagt, ich würde mit dem brisanten Sujet scheitern. Ein Verleiher ist sogar abgesprungen, aus Angst vor der Prüderie des amerikanischen Publikums. Die Familie gilt als sakrosankte Institution. Wer hinter die Kulissen schaut und so beißende Kritik daran übt wie Todd Solondz, kann sich leicht die Finger verbrennen. Aber Filme wie Happiness muss man als Produzentin einfach machen, weil sie eine Herausforderung bedeuten. Sie sind notwendig, weil sie brüskieren und Diskussionen auslösen. Die netten, pflegeleichten Filmchen überlasse ich anderen.
Was machen Sie, wenn Ihnen ein Projekt gefällt, aber die kommerzielle Auswertung schwierig scheint?
Dann befinde ich mich in einer Zwickmühle, siegt oft das Gefühl über den finanziellen Pragmatismus. Aber bisher stimmte das Gleichgewicht zwischen Kopf- und Bauchentscheidung.
Sie haben ein Buch über die Independent-Produktion in Amerika geschrieben. Ist das eine Abrechnung?
Es ist ein Blick hinter die Kulissen. Das unabhängige Produzieren wird oft mit einem Glorienschein umgeben, dabei ist es Knochenarbeit. Wir machen keine Nischenfilme, sondern wollen auch möglichst viel Publikum erreichen.
Autor/in: Margret Köhler, 11.12.2006