Seit der Trennung seiner Eltern vor vielen Jahren lebt der kreative Oscar bei seinem leicht verschrobenen Vater, der den sensiblen Teenager des Öfteren spüren lässt, dass er sich einen echten Mann als Sohn wünscht. Oscar interessiert sich jedoch vor allem für seine von
Fantasy-Filmen beeinflusste Kunst und fotografiert seine beste Freundin Gemma in unterschiedlichen Verkleidungen und Maskeraden. Als er beim Jobben in einem örtlichen Baumarkt eines Tages den unbekümmerten Kollegen Wilder kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Mehr und mehr fühlt er sich zu dem geheimnisvollen jungen Mann hingezogen, während immer wieder Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis hervorbrechen. Als Kind musste Oscar nämlich mit ansehen, wie ein schwuler Junge aus seinem Heimatort von anderen Jugendlichen brutal gequält und verprügelt wurde.
Befreit von den nicht selten schablonenhaften Mustern der klassischen
Coming-of-Age-Welt, erzählt Spielfilmdebütant Stephen Dunn in
Closet Monster eine berührende Geschichte mit autobiografischen Zügen. Statt einer schematischen Plot-Point-Dramaturgie bevorzugt der junge Filmemacher ein schlaglichtartiges Eintauchen in den Alltag seines Protagonisten, dessen Verwirrung und Verunsicherung Hauptdarsteller Connor Jessup facettenreich zum Ausdruck bringt. Anders als in vielen ähnlich gelagerten Arbeiten sprengt das intime Drama mehrfach die Grenze zwischen Realität und Fantasie, etwa wenn sich Oscar mit seinem pfiffigen, von Isabella Rossellini gesprochenen Hamster unterhält. Szenen wie diese, eine prägnante
Musikauswahl und
horrorartige Visionen machen die subjektive Wahrnehmung der Hauptfigur und ihr Hadern mit der eigenen Identität auf unkonventionelle Weise greifbar.
Dass ein Coming-out auch heute noch durch viele soziale und familiäre Zwänge erschwert wird, lässt sich ausgehend von dem im Film dargestellten Provinzumfeld und der wenig verständnisvollen Vaterfigur eingehender beleuchten. Damit verbunden könnte
Closet Monster auch zum Anlass genommen werden, um ganz konkret über homophobe Gewalttaten zu diskutieren, die nach wie vor selbst in offenen Gesellschaften weitverbreitet sind. Losgelöst von Oscars sexueller Orientierung bietet sich Stephen Dunns preisgekröntes Debütwerk außerdem als Ausgangspunkt für eine allgemeine Auseinandersetzung mit der Verwirrung und der Unsicherheit an, die Jugendliche während der Pubertät erfahren. Fragen nach dem eigenen Platz in der Welt, dem Verhältnis zu den Eltern und dem weiteren Lebensweg dürften dabei ins Blickfeld rücken.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christopher Diekhaus, 28.09.2016, Vision Kino 2016.
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