Als kleiner Junge in Kentucky verkauft er schon selbstgebrannten Schnaps. Zwanzig Jahre später bringt er eine Ware an den Mann, die gesellschaftlich ähnlich geächtet ist: Sex. Mit seinem Bruder betreibt er in Ohio eine Reihe schmuddeliger Strip-Clubs. Die Mädchen aus Paris, London oder Moskau (alles Städtchen in Texas) testet der Chef erstmal im Bett, bevor er sie auf die Bühne schickt. Larry Flynt ist kein Sympathieträger. Anfang der siebziger Jahre, in der Post-Hippie-Ära, will er nur Geld machen und Spaß haben. Er hat die Idee, seine Girls nackt in einem Magazin abzubilden. "Hustler" nennt er das Blättchen, das die Mädchen in pornografischeren, weniger gezierten Posen als der "Playboy" präsentiert. Die erste Ausgabe floppt. Erst als der "Hustler" Nacktfotos der sonnenbadenden Jacqueline Onassis abbildet, schnellt der Verkauf des Magazins in die Höhe. "Hustlers" Erfolgsformel ist gefunden – Sex und Sensationen. Das prüde Amerika ist entrüstet. Simon Leis, der Staatsanwalt des Bezirks Hamilton, und der Finanzier Charles Keaton jr. machen als Erste dem Pornokönig den Prozess – Flynts langjähriger Kampf gegen die Sittenwächter und rechtsgerichtete religiöse Kreise beginnt. Zwischendurch entdeckt der Schmutzfink auch den Glauben. Durch die Bekanntschaft der Evangelistin Ruth Carter, einer Schwester des damaligen Präsidenten Jimmy Carter, wird er ein wiedergeborener Christ und fühlt sich damit legitimiert, in seinem Magazin den menschlichen Körper so zu zeigen, "wie Gott ihn schuf". Die von ihm lancierten religiösen Szenerien irritieren den Leser und stoppen die Verkaufszahlen des Pornomagazins. Ständig steht Larry Flynt vor Gericht. Nach einer Verhandlung schießt ein nie gefasster Attentäter auf ihn und seinen Anwalt. Flynt überlebt querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt, doch sein Kampfgeist ist ungebrochen. In seinem Magazin mokiert er sich über Jerry Falwell, den Führer der selbst ernannten "moralischen Mehrheit", indem er dessen erste sexuelle Erfahrungen parodiert. Der anschließende Prozess endet glimpflich: Nur ein Schmerzensgeld muss er für die Geschmacklosigkeit zahlen.
Regisseur Milos Forman bemüht sich um eine sachliche Darstellung seines umstrittenen Helden. Der zweifache Oscar-Preisträger (
Einer flog über das Kuckucksnest,
Amadeus) hatte (ebenso wie Produzent Oliver Stone) zunächst Vorbehalte gegenüber "dirty" Larry und seinem Porno-Magazin. Forman zeigt weniger einen "american hero", der um sein Recht kämpft, sondern auch einen neureichen Kotzbrocken, der nicht nur das Gericht liebend gern provoziert. Auch seinen treuen Anwalt Alan Isaacman stößt er immer wieder vor den Kopf. Mit seinen Prozessen gewinnt Flynt jedoch an Größe. Als Bürger eines demokratischen Staates und als Verleger beansprucht er das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Pressefreiheit, selbst wenn Inhalt und Form auf Kritik stoßen. Warum Budweiser verbieten, bloß weil sich Vierzehnjährige an Bier betrinken, lautet ein Argument, den "Hustler" nicht zu indizieren. Aufsehen erregt auch seine Einmischung in politische Ränkespiele. Er setzt eine Million Dollar Belohnung für die Aufklärung des Mordes an Präsident Kennedy aus und lanciert ein das Bundeskriminalamt FBI belastendes Video über Drogenhandel, dessen Herkunft zu nennen er sich vor Gericht standhaft weigert.
Milos Formans Film mischt distanziert und ohne melodramatische Überzeichnung biografische Daten mit verhaltenem Courtroom-Drama. Flynts langjährige liebevolle Beziehung zur Stripperin und späteren Ehefrau Althea, ihr Aids-Tod als Fixerin, sein Leben im Rollstuhl und seine schließlich überwundene Sucht nach Schmerzmitteln werden genauso dokumentiert wie seine provokanten Auftritte vor Gericht. Flynts Anwälte reduziert der Film auf einen einzigen, Alan Isaacman, der zusammen mit Flynt angeschossen wird, was den historischen Tatsachen nicht entspricht. Diese dramaturgische Freiheit sowie die nicht näher erläuterten und den deutschen Zuschauer vielleicht irritierenden Besonderheiten des amerikanischen Rechtssystems beeinträchtigen aber kaum die Authentizität. Forman rollt das Leben eines Mannes auf, dessen Metier zwar keine Sympathien weckt, der aber wie jedes Individuum das Recht auf freie Meinungsäußerung besitzt und dafür bereit ist, zu kämpfen. Für die amerikanische Pressefreiheit jedenfalls waren seine Prozesse richtungweisend, und so ist der Film auch ein liberales Plädoyer für die Pressefreiheit geworden.
Autor/in: Angela Leifeld, 01.01.1997