Das Leben der 27-jährigen Karo gerät aus den Fugen, als sie ihren Job in einer Eventagentur verliert und kurz darauf ihr langjähriger Freund Philipp Schluss macht. Karos Mutter erweist sich ebenso wenig als Stütze wie ihre beste Freundin, die auf Abstand geht, weil sich in letzter Zeit immer alles um Karo dreht. Die emotionale Talfahrt der jungen Frau ist besiegelt und Panikattacken und eine ausgewachsene Depression stellen sich ein. Um wieder in die Normalität zu finden, sucht Karo eine Therapeutin auf. Dass sie zum Auftakt der Therapie ein Kindheitstrauma erfindet, um sich als Patientin interessanter zu machen, ist zwar wenig förderlich, doch über kurz oder lang gelingt es Karo, nach dem Fallen wieder aufzustehen.
In ihrem 2009 veröffentlichten Debütroman "Mängelexemplar" spürte die Fernsehmoderatorin Sarah Kuttner den psychischen Problemen der Ich-Erzählerin auf ironisch gebrochene Weise nach. Die
Verfilmung von Laura Lackmann, aus deren Feder auch das
Drehbuch stammt, behält den tragikomischen Tonfall des Romans bei und erweitert die Vorlage um interessante Ideen wie Karos inneres Kind, das diese buchstäblich mit sich herum trägt, oder einen Tintenfleck auf ihrer Kleidung, der ihren Gemütszustand visualisiert. Die Gefühlsschwankungen der von Claudia Eisinger lebendig verkörperten Hauptfigur finden im stetigen Pendeln zwischen Komik und Ernst Ausdruck. Durch dieses spielerische Krisenmanagement schickt sich die Besteller-Verfilmung an, das mit Berührungsängsten behaftete Thema Depression im Mainstream zu enttabuisieren.
Der Roman von Sarah Kuttner besteht in weiten Teilen aus inneren Monologen, die ein Kinofilm nicht ohne weiteres adaptieren kann. Anstelle eines Off-Kommentars inszeniert die Regisseurin Selbstgespräche Karos mit ihrem eigenen inneren Kind, das das Drehbuch der Romanvorlage hinzufügt und schon zum Auftakt als visuelle Metapher ins Bild setzt. Diese Transformation der literarischen Erzählweise in eine filmische Erzählung kann einen Ausgangspunkt für ein Gespräch über die Unterschiedene und Gemeinsamkeiten zwischen Kinofilmen und Romanen einleiten. Daneben bieten die Sinnsuche und die emotionale Achterbahnfahrt der Protagonistin eine Vorlage für die Besprechung des dargestellten Krankheitsbildes. Worin liegt Karos Depression begründet und wie schafft sie es, diese abzustreifen? Der Umgang mit Psychopharmaka sollte hier ebenso thematisiert werden wie die ironische Sichtweise auf die Lebenskrise der Protagonistin.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christian Horn, 28.04.2016, Vision Kino 2016.
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