Paradies, so nennt sich verheißungsvoll ein kleines Lokal mitten in Brooklyn, mit dem der Spanier Alonso sich und seine blinde Mutter gerade so über Wasser hält. Bayo, ein illegaler Einwanderer aus Montenegro, findet bei ihm Unterschlupf. Die beiden in einer fremden Welt Gestrandeten verbindet eine tiefe Freundschaft, die über alle Abenteuer und Missgeschicke hinweg hält, selbst noch als Bajos Mutter zusammen mit seinen drei Kindern aus Europa nachkommt. Denn das regelmäßig in die Heimat gesandte Geld war seit Monaten ausgeblieben und die Tochter Savka vor Sehnsucht nach dem Vater krank geworden. Bei der illegalen Einreise über Mexiko wird Bajos jüngster Sohn Pepo von den Fluten des Rio Grande davongetragen. Sohn Luka, der älteste, liegt mit dem Vater im Streit: Bajo begegnet ihm mit Argwohn, weil er sich mit Cleverness schnell und bedingungslos der neuen Umgebung anpasst. Er gestaltet das Lokal zu einem beliebten Treffpunkt vieler Menschen unterschiedlicher Nationalitäten um und verwirklicht so im Kleinen den Traum von Amerika, den sein Vater und Alonso – am Ende wieder allein – nicht aufgeben wollen.
Der Blick in ein anderes Amerika, das der vielen (oft illegalen) Einwanderer aus der ganzen Welt, die dort ihr Glück versuchen, es aber nicht immer finden, ist dem serbischen Regisseur Goran Paskaljevic nicht fremd. Ihn faszinierten diese Einzelschicksale, die ihm bei seinen zahlreichen Besuchen in New York begegneten; schließlich verschlug es dorthin auch viele seiner Landsleute im Laufe des Balkankrieges. Paskaljevic stellt vielleicht deswegen Bayos Herkunft und Schicksal in den Vordergrund, obwohl der Spanier Alonso nicht minder interessant ist. Die Portraits der beiden in ihren unterschiedlichen Sorgen und Nöten sind gleich liebe- und humorvoll gezeichnet. So sind für sie Frauen oder Liebesbeziehungen nur Vergangenheit oder Wunschtraum.
Es sind die Großmütter, die die Restfamilie zusammenhalten. Ihrer alten Heimat noch eng verbunden, geben sie den Kindern Halt, erleben aber selbst das Gefühl der Entwurzelung besonders schmerzhaft. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die das Gefühl von Heimat und vertrauter Umgebung vermitteln: ein Steintisch, ein alter Brunnen, ein Orangenbaum, eine Ziege. Die Träume und Sehnsüchte der mittleren Generation sind ungleich anspruchsvoller. Aber erst der dritten Generation – verkörpert durch Luka – gelingt es, sie zu realisieren: Luka heiratet unter spanischen Gitarrenklängen eine Amerikanerin chinesischer Abstammung – und erhält damit die begehrte Green Card, die ständige Aufenthaltserlaubnis im gelobten Land. Der Jungunternehmer zieht nach Los Angeles, um dort ein China-Restaurant zu eröffnen.
Ein Happy-End mit Wermutstropfen, die Perspektive einer besseren Zukunft für die Kinder oder einfach nur die Beschwörung einer funktionierenden, multikulturellen Gesellschaft, die im Herkunftsland des Regisseurs so bitter gescheitert ist? Ein bisschen Trotz ist auf jeden Fall dabei. Im Film heißt es immer wieder: "Wir geben nicht auf!" Das klingt bei Baja und bei Alonso angesichts der Schwierigkeiten des Lebens in der Fremde wie eine Beschwörungsformel, die immer wieder neuen Mut verheißt.
Autor/in: Holger Twele, 01.03.1996