Vier junge Menschen zwischen 16 und 18 Jahren wohnen als Austauschschüler/innen für ein Jahr bei deutschen Familien: Kwasi Gyabaa, zuhause in einer ghanaischen Millionenmetropole, landet im überschaubaren thüringischen Rastenberg. Die Chilenin Constanza Gorena Prat kommt bei einer Familie in einem 200-Seelen-Dorf bei Stendal unter. Nairika Murphy aus Pittsburgh lebt bei einer alleinerziehenden Frau in Berlin-Neukölln und der Venezuelaner Eduardo Matheus bei einer vierköpfigen Familie in Hamburg. Alle können kaum Deutsch und haben hohe Erwartungen an die neue Umgebung sowie das interkulturelle Zusammenleben.
Ein Jahr lang begleitete Regisseurin Eva Wolf die Schüler/innen. Lange, ruhige
Kamera-Einstellungen, ergänzt durch Interviewausschnitte, vermitteln die Atmosphäre im neuen Zuhause aus Sicht der Gäste: ihre Privaträume, der Lebensstil der Familien, die nähere Umgebung und die neuen Schulklassen. Periodischen Zeiträumen folgend, widmet sich Eva Wolf den Phasen der Eingewöhnung und sich manifestierenden Problemen. Als sich abzeichnet, dass alle Schüler/innen einen Wechsel der Gastfamilie wünschen, verraten manche Szenen die Gründe dafür: So erwartet Constanza einmal ein gemeinsames Kaffeetrinken, während sich in "ihrer" Familie jede/r für sich mit elektronischem Spielzeug beschäftigt. Andere Konflikte kristallisieren sich erst durch Diskussionen unter den Beteiligten oder geschicktes Hinterfragen der Regisseurin heraus – dabei bleibt Eva Wolf im
Off.
Ein Austauschjahr kann für alle Beteiligten spannend – und ernüchternd – sein, denn Familienalltag, Regeln und Gewohnheiten werden plötzlich hinterfragt. Im Film erschweren unterschiedliche und überhöhte Erwartungen eine offene gleichberechtigte Annäherung. Während sich die deutschen Familien von ihren Gästen mehr Eigenständigkeit und aktive Integration wünschen, vermissen die Austauschschüler/innen Geborgenheit und Verständnis. Spannend und unterhaltsam vermittelt der Film die Herausforderungen eines Austauschjahrs und bietet dadurch eine gute Diskussionsgrundlage, um mit Jugendlichen eigene Erwartungshaltungen an einen Aufenthalt in einer Gastfamilie zu analysieren. Zudem thematisiert Eva Wolf die Funktion und das Funktionieren von Familie mit teilweise überraschenden und humorvollen Einsichten. Ihr Film lädt ein, die eigene Familiensituation zu reflektieren und die eigene Haltung bezüglich fremder Kulturen auf Vorurteile zu überprüfen.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 03.09.2010
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