Irgendwo in Afrika wird Dorflehrer Rahne zum dritten Mal Vater. Kein Grund zur Freude für ihn, denn die Existenz der Familie ist bedroht. Weil sich die Wüste immer weiter ausdehnt, gibt es zu wenig Wasser und zu wenig Nahrung. Der Dorfälteste rät ihm, das Neugeborene, ein Mädchen, zu töten. Doch die Mutter widersetzt sich diesem Plan erfolgreich. Fünf Jahre später ist ihre Tochter Shasha wohlauf, das Wasserproblem des Dorfes jedoch ist nicht gelöst. Während die Mehrzahl der Dorfbewohner/innen auf der Suche nach neuem Lebensraum Richtung Süden zieht, entscheidet sich Shashas Vater für den Osten. Zwar müssen sie zuerst Kriegsgebiete durchqueren, doch dahinter gibt es Seen, an denen sich die fünfköpfige Familie niederlassen will. Mit wehenden Kleidern ziehen Shasha, ihre Eltern und die beiden älteren Brüder mit den Ziegen und dem Dromedar Chamelle in ein unbekanntes Land. Aus der anfänglich fast romantisch anmutenden Reise über gewaltige Sanddünen hinweg wird jedoch schnell ein Kampf auf Leben und Tod. Shashas Mutter erkrankt tödlich, die Brüder fallen militanten Rebellen in die Hände.
Spätestens seit dem UN-Klimabericht von 2007 ist die Diskussion um die knapper werdende Ressource Wasser erneut in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Marion Hänsels Verfilmung des französischsprachigen Romans "Chamelle" greift damit ein aktuelles Thema auf. Beklemmend nüchtern erzählt sie von der tragischen Odyssee einer afrikanischen Familie. Dabei entwickelt sie ihre weitgehend entpsychologisierte Geschichte, die an einem nicht näher bezeichneten Ort spielt, zu einer universellen Krisenschilderung. Nur bedingt laden die Protagonisten/innen zur Identifikation ein, dennoch geht der Film sehr gefühlvoll mit seinen Figuren um. Trotz der Schrecken, denen sie auf ihrer Wanderung begegnen, zeigen sie nur selten Tränen oder Wut; selbst dann nicht, wenn sie ihre Angehörigen zurücklassen müssen, um das eigene Überleben zu sichern. Würdevoll, manchmal stoisch, nehmen diese Menschen das eigene Schicksal an.
Als der Wind den Sand berührte kann als Parabel über einen krisengeschüttelten Kontinent gelesen werden, auf dem ökologische Probleme wie die Versteppung ebenso zur Alltagsrealität gehören wie Korruption, Gewalt und Gesetzlosigkeit, aber auch Hoffnung und Überlebenswillen. Die emotional wie intellektuell geforderten Zuschauenden werden dabei nicht mit Pathos überschüttet, sondern zu Beobachtenden einer unmenschlichen Katastrophe. Diese lässt sich nicht als Problematik eines fernen Afrika abtun. Marion Hänsels Perspektive fordert einen eigenen Standpunkt.
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Autor/in: Dinah Münchow, 25.07.2007