Für viele Deutsche markieren die frühen 60er Jahre den Beginn des Wirtschaftswunders. Die 11-jährige Anna allerdings bekommt davon nur wenig mit. Sie lebt mit ihrem kleinen quengeligen Bruder und ihrer hochverschuldeten, alkoholkranken Mutter in einem Dorf. In einer Mischung aus Stolz, Unvermögen und enttäuschter Liebe weist Annas Mutter jede echte Hilfe von außen ab, verführt andererseits reihenweise die Männer in den Kneipen. Nach ihrem Selbstmord macht sich Anna auf die Suche nach dem in Frankreich seit dem Krieg verschollenen Vater, den Annas Mutter für tot erklärt hatte. – Ulla Wagners Spielfilmdebüt ist ein schöner Beleg dafür, dass man auch kleine Geschichten aus der Provinz für das Kino spannend erzählen kann. Rein formal hat der Film zwar wenig Aufregendes zu bieten, denn er wurde eher für das Fernsehen produziert. Nicht zuletzt dank der starken Leinwandpräsenz seiner kleinen Hauptdarstellerin wirkt das generationenübergreifende Drama zwischen den Eckpunkten Vergangenheitsbewältigung, unerfüllter Liebe, Coming of Age und ersten Liebeserfahrungen jedoch in sich stimmig und vor allem ist es sehr einfühlsam und mit leisen Zwischentönen inszeniert.
Autor/in: Holger Twele, 01.09.2002