Anna Kastelano kehrt auf eine griechische Insel und zu ihren Wurzeln zurück. Im Sommerhaus ihrer Vorfahren begibt sie sich auf eine Zeitreise in ihre jüdisch-spanische Familiengeschichte. Sie begegnet ihren Eltern, die sich im Londoner Exil kennen lernten, einer jungen, sterbenskranken Frau, die ihr Vater leidenschaftlich liebte, sowie ihrem kürzlich verstorbenen Mann. Trotz vieler trauriger Erinnerungen entdeckt die einsame Frau auch die Schönheit der Insel und verliebt sich in einen jungen Mann. – Jeanine Meerapfel zeigt mit emotionaler Kraft, wie jemand, der viel Schmerz und große Verluste erlitten hat, sich wieder aufrappelt. Trotz tragischer Untertöne ist Annas Sommer ein überzeugendes Plädoyer für das Leben. Die Heldin schöpft neuen Mut als sie erkennt, dass ihre Lieben nur physisch tot sind. Diese Erkenntnis drückt sich in der unkonventionellen Struktur des Films aus. Wie in Raoul Ruiz' Adaption von Prousts "Die wiedergefundene Zeit" treten die Verstorbenen nicht nur in Rückblenden auf, sie nehmen auch als lebendige Geister an Annas Tafel Platz. Gegenwart und Vergangenheit gleiten fast unmerklich ineinander über. Eine Traumrolle für die aparte Angela Molina, die Anna authentisch mit vielen Gesichtern spielt. Sie durchlebt intensiv alle Höhen und Tiefen einer Frau, die noch Ende 40 so lebenshungrig ist wie ein Teenager. Eine starke Sogkraft entwickelt der Film auch auf der atmosphärischen Ebene mit einem Hauch von trister "Zauberberg"-Nostalgie. Zugleich liefert der Film einen seltenen Beitrag zur Geschichte sephardischer Juden im Zweiten Weltkrieg.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.01.2002