In seinem Dokumentarfilm untersucht Lutz Dammbeck den geschichtlichen und kulturellen Hintergrund für die Entstehung des Internets. Er erforscht das dabei zugrundeliegende Zusammenspiel von Militär, Geheimdiensten, elitären Bildungsinstitutionen, den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und der Kunstavantgarde in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er-Jahre. Für die Recherche bereiste Dammbeck im Jahre 2002 mehrere Monate lang die USA und traf sich dort mit Pionieren der globalen Vernetzung. In Interviews lassen unter anderem der Literaturagent John Brockman, der zwischenzeitlich verstorbene Physiker und Philosoph Heinz von Foerster und der ehemalige NASA-Ingenieur Robert Taylor den Zeitgeist in den USA nach 1945 wieder aufleben: Damals entstand die Utopie von einer weltweit vernetzten und friedlichen Wissensgesellschaft mit neuen Kunst- und Ökonomieformen. Wissenschaftler/innen und Künstler/innen arbeiteten gleichermaßen an der Verwirklichung dieser Vision. Kybernetik, Systemtheorie, neue Konzepte in den Sozialwissenschaften und die Multimediakunst wurden so zur Basis der globalen Vernetzung von heute. – Der Begeisterung der Cyber-Elite für den schier grenzenlosen Fortschritt jener Zeit stellt Dammbeck als Antipode den "Unabomber" Ted Kaczynski gegenüber. Der ehemalige Mathematik-Professor und zu mehrmals lebenslänglich verurteilte Terrorist, der mit Briefbomben Anschläge auf Elite-Wissenschaftler verübte, legt in einem fortlaufenden Briefwechsel mit dem Filmemacher seine zivilisationskritischen und technologiefeindlichen Argumente offen. Zudem hat Dammbeck brisantes Material zusammengetragen unter anderem über militärische Verteidigungsstrategien zur Zeit des Kalten Krieges, CIA-Kontrollprogramme des menschlichen Bewusstseins mit der halluzinogenen Droge LSD und kontroverse Verbindungen von prominenten Mitgliedern der Hippie-Bewegung zu Militär- und Geheimdienstkreisen. Der Film reflektiert ein wichtiges und dennoch wenig bekanntes Stück Zeitgeschichte, das bis in die Gegenwart wirkt. Paradoxerweise steht den Zuschauenden die außerordentliche Qualität des Films im Wege, denn seine Fülle an Informationen und die Machart als Multimediacollage machen ihn nicht leicht zugänglich.
Autor/in: Stefanie Zobl, 01.01.2005