Julian kann einiges: Gedanken lesen, über glühende Kohlen gehen, Ereignisse vorausahnen. Der junge Mann glaubt fest daran, mit der Energie seines Geistes Naturgesetze bezwingen zu können. Doch als er das vor vier Jahren mit einem Sprung über ein fahrendes Auto beweisen wollte, starb sein Freund dabei und Julian kam in die Psychiatrie. Nun ist er ausgebrochen, um von Berlin nach Tuttlingen zu laufen. Die dabei frei werdende Energie soll dem herzkranken Vater des verstorbenen Freundes bei der Genesung helfen. Auf seiner Wanderung schließen sich ihm eine Ärztin und eine Mutter an, die das Gehen zur Selbstfindung nutzen. Noch einer folgt Julian: ein Berliner Kriminalbeamter, der ihn zurückbringen soll.
Kann man einen Menschen wie eine Glühbirne ausschalten? Ihn einfach ins Nichts katapultieren? Julian stellt diese Fragen aus dem Off, da hat
Der Mann, der über Autos sprang noch nicht einmal richtig begonnen. Derweil beobachtet die Kamera im
Zeitraffer den Aufgang der Sonne über Baumwipfel, zeigt wie sie Natur und Leben illuminiert. Mit Cinemascope-Landschaftsaufnahmen in der
Totalen oder aus der Aufsicht lotet Regisseur Nick Baker Monteys die Beziehung zwischen Mensch und Natur aus. Das Individuum mag sich zwar auf den ersten Blick darin verlieren, kann aber auch als harmonischer Teil von ihr begriffen werden. Aufgrund seiner esoterisch angehauchten Fragestellung wirkt die Logik des Roadmovies bisweilen märchenhaft. Dem gegenüber stehen Situationskomik und authentische Skizzen des deutschen Alltags.
Nick Baker Monteys beruft sich bei seiner Geschichte unter anderem auf den Regisseur Werner Herzog. Herzog lief 1973 von München nach Paris, um so eine erkrankte Freundin zu heilen. Daran anknüpfend sollte in der filmpädagogischen Auseinandersetzung die Motivation und Glaubwürdigkeit des Protagonisten hinterfragt werden. Wie ist sein Charakter gezeichnet, wie "verrückt" sind seine Ansichten? In Unterrichtsfächern wie Sozialkunde, Ethik oder Religion kann der Film dazu anregen, die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Realität und der Akzeptanz freier Religionsgemeinschaften und esoterischer Lebensentwürfe zu untersuchen. Julians Begleiterinnen nutzen das Wandern zur Selbstfindung. Auch der junge Mann begreift am Ende seines Weges, dass er sein Selbstbild und seine Bedürfnisse neu ausrichten sollte – ein Thema für den Psychologie-Unterricht.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 07.06.2011
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