Im London des 11. Jahrhunderts verliert der neunjährige Rob Cole seine Mutter an eine mysteriöse Krankheit. Zwar konnte der Junge den nahenden Tod im Vorfeld durch Handauflegen spüren, doch helfen konnte er nicht. Zunächst folgt der Waisenknabe dem fahrenden Bader Henry Croft, der ihm die Grundlagen der mittelalterlichen Heilkunde zeigt. Bald begreift der Lehrling, dass die Heilkünste des Abendlandes sehr begrenzt sind und fasst den ehrgeizigen Plan, ein Schüler des berühmten persischen Arztes Ibn Sina zu werden. Hierfür nimmt Rob eine abenteuerliche Reise in die persische Stadt Isfahan auf sich. Als dort die Pest ausbricht, erkennt Ibn Sina die seherischen Fähigkeiten seines neuen Schülers Rob.
Deutsche Großproduktionen sind meistens Literaturadaptionen oder historische Stoffe. Die in Deutschland und Marokko gedrehte Verfilmung des 1986 veröffentlichten Historienromans
Der Medicus von Noah Gordon vereint wie beispielsweise
Die Päpstin (Deutschland, Großbritannien, Italien, Spanien 2008) beide Pole. Philipp Stölzl (
Nordwand, Deutschland 2008) verfilmt die Vorlage als vitalen, prunkvoll ausgestatteten Abenteuerfilm mit einer zarten Liebelei. Die gefahrenvolle Reise ins ferne Persien verleiht dem Film mit ausladenden
Panoramen eine epische Dimension und fängt das Streben der Hauptfigur nach Wissen metaphorisch ein. Thematisch behandelt
Der Medicus die Genese der Medizin an der Schwelle zum Hochmittelalter und übernimmt den humanistischen Grundton der Vorlage, wobei der Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft sowie die Rivalität zwischen Juden und Muslimen eine zentrale Rolle spielen.
Zunächst regt die Bestseller-Verfilmung natürlich einen Vergleich mit ihrer berühmten Vorlage an. Wie bei Transformationen des Literarischen ins Filmische durchaus üblich, unternehmen die Filmemacher/innen einige Kürzungen und Straffungen. Wo verknappt der Film aus welchen Gründen und inwieweit verändern die Anpassungen den Ursprungsstoff? Die detailverliebte Ausstattung kann den Ausgangspunkt für eine Besprechung der mittelalterlichen Lebenswelt markieren, wobei insbesondere die Unterschiede zwischen Orient und Okzident ergiebig sind, die sich etwa im medizinischen Wissensstand und religiösen Ansichten zeigen. Weiterhin können der wissbegierige Protagonist sowie der Arzt, Wissenschaftler und Philosoph Ibn Sina – ein Universalgelehrter – ein Gespräch über das menschliche Streben nach Wissen und diesbezügliche Meilensteine der Weltgeschichte anstoßen.
Autor/in: Christian Horn, 18.12.2013
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