Die Anfänge der Geschichte des Frankfurter Flughafens lagen lange Zeit im Dunkeln. Nach Kriegsende wollte niemand nachforschen oder wahrhaben, dass 1700 ungarische jüdische Frauen im Winter 1944 die erste betonierte Rollbahn gebaut haben. Erst 1975 begann von privater Seite her eine Spurensuche durch drei junge Kommunisten, die in der hessischen Gemeinde Mörfelden-Walldorf die Existenz eines ehemaligen KZ-Außenlagers nachwiesen. Die Männer fanden heraus, dass die Frauen in Viehwaggongs unmittelbar aus dem Konzentrationslager Auschwitz kamen, um die erste Startbahn für Hitlers "Wunderwaffe", das Düsenflugzeug ME 262, zu bauen. Sie sollte den Deutschen noch zum Endsieg verhelfen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren nur Zeppeline und Propellerflugzeuge auf Grasnarben gestartet. Beschäftigt wurden die Frauen von der Baufirma Züblin, die der SS vier Reichsmark pro Tag und Kopf zahlte und sich bis heute nicht bei den Opfern entschuldig hat. – In ihrer Dokumentation
Die Rollbahn erzählen Malte Rauch, Bernhard Türcke und Eva Voosen die Geschichte der jüdischen Zwangsarbeiterinnen, die untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte der Bürger von Mörfelden-Walldorf verbunden ist. Nur dank des großen Einsatzes einer Stadthistorikerin und einer Schulklasse wurden in den Neunziger Jahren 19 überlebende Zeitzeuginnen in Ungarn, Schweden, Israel und Frankfurt ausfindig gemacht und im Jahr 2000 eingeladen, noch einmal an den schrecklichen Ort ihrer Vergangenheit zurückzukehren. Der Film kommentiert die Positionen der Täter/innen, heimlichen Mitwisser/innen und Wegschauer/innen nicht. Die ignorante Haltung der Firma Züblin, die sich nur unter Mediendruck an einer finanziellen Wiedergutmachung beteiligte und bis heute jegliche Verantwortung für die menschenunwürdigen Arbeitsverhältnisse leugnet, sowie die zweifelhaften Aussagen der Bürger sprechen für sich. Die Zuschauenden sehen das Grauen mit den Augen der Opfer, die in eisiger Kälte barfuß schufteten, schutzlos Luftangriffen ausgesetzt waren und körperlich gezüchtigt wurden. Nur die eigentliche Arbeit der Zwangsarbeiterinnen kommt leider kaum zur Sprache: Von einem Film über die erste Rollbahn hätte man gerne noch erfahren, welche Tätigkeiten die Frauen verrichten mussten, welchen physischen Belastungen sie dabei ausgesetzt und wie viele Stunden sie täglich im Einsatz waren.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.03.2004