Die letzten Tage der berühmten tschechischen Schriftstellerin Bozena Nemcova, die es im ausgehenden 19. Jahrhundert gewagt hatte, ihr Leben frei einzurichten. Sie verwirklicht sich als Autorin gegen den Willen ihres tyrannischen Mannes, kämpft für das Wohl ihrer Kinder und um ihre eigene Gesundheit, sucht bei anderen Männern die Liebe, die sie bei ihrem Mann nach vielen Ehejahren nicht mehr findet und flüchtet schließlich aus einer völlig zerrütteten Ehe. – Der Film schildert sensibel und historisch exakt Szenen aus dem Leben einer in Vergessenheit geratenen Dichterin, deren Roman "Die Großmutter" zu ihren Lebzeiten ein großer Erfolg war. Das akribisch recherchierte Porträt, das auf drei Briefentwürfen basiert, die Bozena Nemcova kurz vor ihrem Tod verfasste, belebt trotz Lücken und Sprüngen das Interesse an einer modernen, starken Frau, die ihrer Zeit in ihrem Selbstbewusstsein und ihren Ansprüchen weit voraus war. Schwachpunkte gibt es allerdings auch, vor allem dramaturgische. In ihrem Streben nach Genauigkeit wiederholt Dagmar Knöpfel einige Sequenzen gleich mehrfach, was den Fortgang der Handlung bremst und auf Dauer ermüdet. Dagegen kommen andere Fragen, die sich regelrecht aufdrängen, nicht zur Sprache, beispielsweise wie es Nemcova überhaupt geschafft hat, sich als Schriftstellerin durchzusetzen, wo ihr der Gatte doch fortwährend Steine in den Weg legt. Die Regisseurin hält sich strikt an den Wortlaut der Briefe, beißt sich dabei an Details fest, dehnt Elend und Leid der Heldin, die von ihrem Mann über die Maßen terrorisiert wurde und an schweren Blutungen starb, in aller Breite aus. So gesehen ist es auch ein sehr pessimistischer, trister Film. Dass er dennoch fesselt, ist der großartigen Hauptdarstellerin Corinna Harfouch zu verdanken, die sehr eindringlich den unerbittlichen Lebenswillen und die erstaunliche Kraft einer Persönlichkeit vermittelt, die in ihrer vollen künstlerischen Entfaltung durch eine erzkonservative Rollenzuweisung und eine Gesellschaft behindert wurde, die Gewalt in der Ehe stillschweigend duldete.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.11.2005