In dem Dokumentarfilm
Eisenfresser kehrt Regisseur Shaheen Dill-Riaz an die Stätte seiner Kindheit zurück und liefert eine eindrucksvolle Momentaufnahme der menschenunwürdigen Situation der Arbeiter in der Abwrackindustrie Südbangladeschs. Der Sandstrand des Hafenortes Chittagong ist heute ein riesiger Schrottplatz für rostige Tanker und Containerschiffe aus dem Westen, die dort entsorgt werden. Tausende von Menschen finden auf den Werften Beschäftigung, meist Kleinbauern aus dem Norden, die als Tagelöhner für umgerechnet etwa einen Dollar am Tag anheuern.
Der Film begleitet die Wanderarbeiter Kholil und Gadu, die gezwungen sind, ihr Dorf aufgrund der alljährlichen Hungersnot nach den Überschwemmungen zu verlassen. An einer Werft von Chittagong verdingen sie sich als Seilschlepper – eine harte Arbeit. Das Unfall- und Todesrisiko ist hoch, denn es gibt weder Gewerkschaften noch Arbeitsgesetze, die sie schützen. Mit bloßen Füßen ziehen die Bauern mit Drahtseilen abgetrennte Schiffsteile durch den Schlick an Land. Das Eisen wird später recycelt und vom Werftbesitzer mit hoher Gewinnspanne weiterverkauft – die einfachen Arbeiter jedoch kehren meist mit leeren Händen nach Hause zurück. Exemplarisch zeigt
Eisenfresser, wie diese Menschen durch ein kompliziertes Geflecht aus nicht bezahlten Vorschüssen und Krediten in Abhängigkeit von der Werft gehalten werden. Am Ende der Saison sind sie hoch verschuldet und können häufig nicht einmal die Kosten für die Heimreise bezahlen.
Die vorgefundene Szenerie an der Werft fängt Regisseur Dill-Riaz in spektakulären Bildern ein: Totalen der gestrandeten Schiffskolosse, spritzende Lötfunken, hinabstürzende Wrackteile. Mittels eines sparsamen poetischen Kommentars, vor allem jedoch durch visuelle Inszenierungen werden sozialkritische Aussagen geformt. So erscheinen die Arbeiter vor den Ozeanriesen wie winzige Ameisen – was die Größe ihrer enormen Leistung noch hervorhebt. Kontrastierend zu den distanzierten Totalen begleitet eine Handkamera die Protagonisten hautnah durch ihren Arbeitsalltag. Der Schrott der westlichen Welt, der von ihnen in Handarbeit recycelt wird, gerät zur Metapher für das postkoloniale Verhältnis von sogenannter Erster und Dritter Welt. Zugleich werden die krassen sozialen Gegensätze veranschaulicht, die ein ungezügelter Kapitalismus angesichts geringer staatlicher Kontrollmechanismen hervorbringt: Dem Profit und der Bereicherung weniger (Schiffsverkäufer, Werftbesitzer, Führungspersonal) steht das maßlose Elend der Verarmten gegenüber. In beeindruckenden Bildern erzählt
Eisenfresser von der Zerstörung von Lebensgrundlagen, Migration und wirtschaftlicher Not. Gerade diese Verbindung von thematischer Komplexität und herausragender ästhetischer Gestaltung bietet eine hervorragende Grundlage für die fächerübergreifende oder -verbindende Arbeit mit dem Film.
Autor/in: Susanne Gupta, 10.06.2008
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