Von einem Tag auf den anderen bricht der Musiker Zano in Paris alle Zelte ab, mauert seine wertvolle Geige ein und reist mit seiner Freundin Naima vollkommen mittellos über Spanien nach Algerien zurück in das Land, aus dem seine Eltern einst als Flüchtlinge nach Frankreich kamen. Auf ihrer beschwerlichen und konfliktreichen Reise begegnen sie den unterschiedlichsten Personen, meist ebenfalls Exilanten/innen und illegalen Einwanderern/innen, die wie Zano ihre Kraft zum Überleben aus der Liebe zur Musik schöpfen.
Regisseur Tony Gatlif ist wie sein Protagonist Zano in Algerien geboren. Er emigrierte später nach Frankreich, überlebte dort in den 1960er-Jahren zunächst als Straßenkind und wurde schließlich zu dem wohl bekanntesten und international erfolgreichsten Roma-Regisseur. In allen seinen Filmen reflektiert er die Lebensbedingungen der Roma und ihre Beziehung zur Musik, die wie beim Flamenco zugleich Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas und der subjektiven Befindlichkeit ihrer Interpreten ist. Sein neuer Film ist unkonventionell inszeniert, verstößt bewusst gegen die Regeln des klassischen Erzählkinos, löst einzelne Szenen nicht in verschiedene Schnitte auf, sondern reiht scheinbar beliebig einzelne Episoden und Momentaufnahmen aneinander, die das Publikum und die Protagonisten/innen gleichermaßen in ein Wechselbad der Gefühle stürzen. Das Gefühl der Fremdheit ist allgegenwärtig. Zano und Naima begeben sich auf eine Reise zu sich selbst, zu ihren Wurzeln und zu ihrer Identität. Insofern ist es trotz aller äußerlichen Beschwernisse eigentlich in erster Linie eine Reise nach innen, gar in die Spiritualität, die körperliche und geistige Fesseln überwindet. Besonders deutlich wird das in der vielleicht am meisten beeindruckenden, endlos langen, aber keinesfalls langweilig wirkenden Szene des ganzen Films, als Naima wegen ihrer Depressionen von einer Sufistin, einer nordafrikanischen Heilerin, behandelt wird und unter dem Klang binärer Rhythmen in eine ekstatische Trance verfällt. Gatlifs Film ist politisch nicht im Sinn der differenzierten Analyse von gesellschaftlichen Lebensbedingungen und Emigrantenschicksalen. Stattdessen zeigt er die Menschen in ihrem Verhalten, ihrer Körpersprache, und findet eindrucksvolle Bilder wie jenes, als Zano und Naima nach ihrer Ankunft in Nordafrika einem endlosen Strom von Flüchtlingen begegnen, die das Land verlassen und ins Exil gehen wollen. Nur die beiden sehen ihr Ziel dort, wo alles begann, am Ausgangspunkt einer langen generationenübergreifenden Reise.
Autor/in: Holger Twele, 23.10.2006