In der Heimat der jungen Irina tobt ein Bürgerkrieg. Nachdem Soldaten ihre Familie ermorden und sie selbst vergewaltigen, flüchtet sie nach Berlin. Ohne Arbeitserlaubnis, ohne Angehörige und Freunde, bestreitet Irina ihren Lebensunterhalt durch Prostitution. Als sie Kalle kennenlernt, einen Punk, der auf der Straße lebt, bahnt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen den einsamen Außenseitern an. Nähe, Vertrauen, eine gemeinsame Zukunft scheinen plötzlich möglich. Doch dann findet Kalle in ihrer Wohnung einen toten Freier. Vergeblich versucht er, die Leiche aus dem Weg zu schaffen. Der Strafverteidiger Noah Leyden übernimmt den Fall.
Regisseurin Dörrie adaptierte für
Glück die gleichnamige Kurzgeschichte des Juristen Ferdinand von Schirach. Die Erzählerperspektive übernimmt im Film Noah Leyden, der in einer langen
Rückblende Irinas und Kalles Geschichte erzählt. Der Genremix aus Krimi, Liebesromanze und absurden Splatter-Elementen wirkt zuweilen etwas holprig, überzeugt aber letztlich durch eine einfühlsame Annäherung an die Protagonisten/innen. Dörrie verbindet realistische Milieudarstellungen mit berührenden Bildmetaphern für die psychische Verfassung der Figuren –
Totalen eines Klatschmohnfeldes durch das Irina tanzt, Nadeln, die sie sich später durch die Haut treibt, wenn die verdrängte Erinnerung sie einholt. Trotz eines recht blutigen Zwischenspiels ist eine liebevolle, sehr poetische Geschichte entstanden über zwei zutiefst verletzte Menschen, ihre zaghafte Annäherung und das Kämpfen um das gemeinsame Glück.
Mit zwei großartigen Hauptdarstellern/innen und einem leichthändigen Inszenierungsstil bietet
Glück hinreichend Identifikationspotenzial, um Jugendliche für "schwere" Themen wie Kriegsfolgen, sexualisierte Gewalt, Flüchtlingsproblematiken, Prostitution und Illegalität zu interessieren. Gerade Irina, die trotz schwerster Traumata nicht aufgibt und in einem fremden Land unbeirrbar ein neues Leben versucht, gibt Menschen, die Ähnliches erlebt haben, ein Gesicht. Neben einem Vergleich zwischen Literaturvorlage und filmischer Umsetzung bietet die Liebesgeschichte interessanten Diskussionsstoff. Die wachsende Verbundenheit von Kalle und Irina heilt die schlimmsten Verletzungen, wird aber schließlich durch einen Zufall fast zerstört. Hier schließen sich grundsätzliche psychologische und philosophische Fragestellungen an, in denen die Schüler/innen auch eigene Lebensentwürfe und Werte reflektieren können: Wie wichtig ist das persönliche Glück? Was ist legitim, um es zu verteidigen?
Autor/in: Ula Brunner, 17.02.2012
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.