Rivka und Meir haben keine Kinder, obwohl sie schon seit zehn Jahren verheiratet sind. Weil sie damit den heiligen Grundsatz verletzen, Nachwuchs für die Gemeinde zu zeugen, drängt der Rabbi Meir, sich von Rivka zu trennen und eine jüngere Frau zu heiraten. Die vereinsamte Rivka zerbricht an diesem seelischen Konflikt. Ihre jüngere Schwester Malka liebt den rebellischen Yaakov, der aber als Ehemann wegen des geleisteten Militärdienstes für die strenggläubige Gemeinde nicht in Frage kommt. Als der Rabbi ihr den frommen Yossef als Mann zuweist, heiratet Malka ihn widerstrebend. Nach einer gewaltsamen Hochzeitsnacht bricht sie jedoch aus. – Im dritten Teil seiner Filmtrilogie über Großstädte in Israel wendet sich Regisseur Amos Gitai Jerusalem zu, nachdem er sich zuvor in Devarim (1995) mit Tel Aviv und in Yom Yom (1998) mit Haifa auseinandergesetzt hat. Im Mittelpunkt seines Sozialdramas stehen zwei Schwestern, die in Mea Shearim, einem ultra-orthodoxen Stadtteil Jerusalems, leben. Gitai lässt sich bei der Schilderung der religiösen Rituale und den Debatten über ein gottgefälliges Leben viel, manchmal zu viel Zeit. Die langsame, aber intensive Inszenierung des dialoglastigen Kammerspiels fordert dem Zuschauer Geduld ab, belohnt die Anstrengung jedoch mit kenntnisreichen Einblicken in eine hierzulande fast unbekannte Welt. Auch wenn die Kritik an dogmatischer Erstarrung und der systematischen Unterdrückung der Frauen durch das orthodoxe Regelwerk deutlich ausfällt, verzichtet Gitai auf plakative Überspitzungen. Getragen von einem ausgezeichneten Schauspielerensemble, verweist die tragisch gefärbte Sozialchronik über elementare menschliche Konflikte auf den universellen Stellenwert humanitärer Normen und weist so über das Beispiel Mea Shearim hinaus.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.07.2001