Der junge Arzt François zieht von Paris in eine Neubausiedlung in der französischen Provinz. In diesem Ort gibt es für alles genaue Vorschriften, der Investor wacht über die Gemeinde als strenger Übervater. Doch am Waldrand versammelt sich täglich eine Clique von Jugendlichen, die nach ihrem eigenen Regelwerk lebt. Sie vertreiben sich die Zeit mit undurchsichtigen Ritualen und gefährlichen Mutproben. Einmal kommt ein kleines Mädchen ums Leben, das sich wie eine erwachsene Prostituierte gekleidet und geschminkt hatte. Bald gerät auch François in den Fokus der Bande. Bei den Mädchen weckt er erotische Fantasien, die Jungen machen ihn zu ihrem Spielball – mit fatalen Folgen.
La Lisière – Am Waldrand ist das bedrückende Psychogramm einer geschlossenen, morbiden Gesellschaft. Mit dunkel ausgeleuchteten Bildern, präzisen Gesten und aufwühlender
Musik erzählt Géraldine Bajard von verrohten Jugendlichen, die lethargisch wirkenden Erwachsenen ihre gefährlichen Spielregeln aufzwingen. Dabei kommt dieses beunruhigende Szenario gänzlich ohne drastische, actionreiche Szenen aus. Die Gefahr vermittelt sich vielmehr über subtil beobachtete provokante Blicke und eine Atmosphäre sexuelle Frühreife und spürbarer Gewaltbereitschaft. Indirekter Hauptdarsteller ist der Wald, in dessen dunklen Urgründen die Kamera immer wieder nach Orientierung sucht.
La Lisière beschreibt einen gesellschaftlichen Mikrokosmos, erklärt ihn aber nicht. Durch diese interpretative Offenheit wirft der Film Fragen auf, die sich als Einstieg in den Unterricht eignen: Warum setzen die Erwachsenen den Halbstarken keine Grenzen? Was bewegt die Jugendlichen zu ihren bösen Spielen? Warum wird der Arzt zur Zielscheibe ihrer Provokationen? Daran anknüpfend können Schüler/innen ihr eigenes Cliquenverhalten, aber auch Themen wie den Zwiespalt zwischen individueller Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Konformität reflektieren. Im Kunst-, Deutsch- und Fremdsprachenunterricht ergeben sich zudem interessante Analysemöglichkeiten hinsichtlich der ästhetischen Umsetzung. Erörtert werden sollte, mit welchen Mitteln
La Lisière das Genre des Thrillers bedient, zudem empfiehlt sich ein Vergleich mit anderen Regisseuren/innen wie David Lynch, die eine ähnliche Ästhetik bevorzugen.
Autor/in: Kirsten Liese, 20.04.2011
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