Der junge Brad, schwarz und schwul, ist ein Außenseiter in jeder Hinsicht. Doch er ist nicht allein. Von der Mutter verstoßen, findet der scheue Einzelgänger Aufnahme in der brodelnden Ballroom-Szene von Los Angeles. Unter exzentrischen Drag Kings, Butch Queens und anderen Individualisten/innen erfährt er Anerkennung und erste Liebe. Seine neue Heimat erweist sich als Wahlfamilie der besonderen Art: Geführt von dem gestrengen Ballroom-Star Kweef Latina duelliert sich die vergnügte Schar in aufwändig choreographierten Gesangs- und Tanzwettbewerben allmonatlich mit anderen Gleichgesinnten. Geschlecht und Herkunft zählen nicht, Performance ist alles. Als ein Szene-Mitglied stirbt, kommt es zur Konfrontation mit dem Elternhaus, unter tragischen Umständen, aber nicht ohne
Musik und Tanz.
Leave It on the Floor ist ein Tanzmusical in
bunten Farben und verrückten Kostümen, thematisch verwandt mit Musikfilmklassikern wie
Footloose (Herbert Ross, USA 1984) oder
Dirty Dancing (Emilio Ardolino, USA 1987) – als Ausdruck der Persönlichkeit erlaubt der Tanz den Ausbruch aus bedrückenden Verhältnissen. Bevorzugter Stil der Ballroom-Szene ist das "Voguing", das die strengen Rhythmen von R'n'B und House Music in die artifiziellen Posen von Modemannequins übersetzt. In dieser körperlichen Selbstdisziplinierung erfüllt sich die Sehnsucht des Helden nach Halt, sie ist aber auch die ironische Antwort auf die chaotischen Lebensverhältnisse der schwul-lesbischen Protagonisten/innen. In vielen Tanz- und Gesangsnummern werden die schwankenden Gefühlslagen in rasendem Wechsel durchgespielt. Die nicht weniger turbulente Handlung ist demgegenüber zweitrangig.
Sheldon Larrys theatralische Inszenierung ist zunächst gewöhnungsbedürftig, dennoch verfehlt das überdrehte Drama um Ausgestoßensein und Neuerfindung nicht seine Wirkung. Neben der filmsprachlichen Auseinandersetzung mit dem Genre Musical erlaubt der Film die Behandlung ernster Themen wie sexuelle Orientierung, Diskriminierung und Coming-out. Seinen Hintergrund bildet die besonders schwierige Situation homosexueller Jugendlicher in der afroamerikanischen Community: Die Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre hat der Elterngeneration alle Energien abverlangt, für die Emanzipation von Homosexuellen ist es den meisten noch zu früh. Der Film freilich nutzt diese Problematik vor allem zur Integration weiterer Musiktraditionen wie Gospel und Soul.
Autor/in: Philipp Bühler, 17.10.2012
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