Israel ist ein kleines Land mit einem großen Sicherheitsbedürfnis. Das bekommt auch die verwitwete Palästinenserin Salma zu spüren. Seit ihrer Kindheit lebt die stille Frau im Westjordanland an der so genannten Grünen Linie, der Begrenzung zu Israel, wo sie einen Zitronenhain bewirtschaftet. Als der israelische Verteidigungsminister Navon mit seiner Frau Mira das Nachbarhaus jenseits des Trennzauns bezieht, wird Salmas Plantage zum Politikum: Der Geheimdienst stuft ihr Wäldchen als Sicherheitsrisiko ein. Die Obstbäume sollen gefällt, Salma für den Verlust entschädigt werden. Dieser Entschluss weckt jedoch den Widerstandsgeist der bislang angepasst lebenden Frau. Denn die Zitronenbäume sind nicht nur ihre Lebensgrundlage, sondern geben ihr auch ein Gefühl von Heimat und Identität. Salma beginnt mit Hilfe eines jungen palästinensischen Anwalts, für den Erhalt ihrer Plantage zu streiten. Zum Missfallen ihrer Gemeinde bringt sie ihren Fall bis vor den Obersten Gerichtshof Israels. Als heimliche Sympathisantin erweist sich dabei ausgerechnet ihre Nachbarin, die israelische Ministergattin Mira. Salmas mutiger Kampf lässt Mira erkennen, wie unglücklich sie in dem überwachten Haus und in ihrer unerfüllten Ehe ist und veranlasst sie, ihr Leben zu ändern.
Wie schon zuvor in
Die syrische Braut (Israel, Deutschland, Frankreich 2004) erzählt Eran Riklis auch in seinem aktuellen Film von Menschen, die durch politische Entscheidungen in ausweglose Situationen manövriert werden. In
Lemon Tree entfacht sich der Konflikt an Zitronenbäumen. Immer wieder rückt die Kamera die leuchtend gelben Früchte ins Blickfeld, wiederholt wird die ruhige, fast dokumentarische Bildgestaltung mit Traumsequenzen durchbrochen, in denen Salma das Herabfallen der reifen Zitrusfrüchte geradezu erspürt – ein Zeichen für ihre Verbundenheit mit der Plantage, aber auch ein Symbol für deren Vergänglichkeit. Der umstrittene Zitronenhain wird zum Sinnbild für den Kampf um Land und Grenzen in dieser Region und verweist parabelhaft auf das schwierige israelisch-palästinensische Miteinander. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei ungleiche Frauen: die bescheidene, bodenständige Salma und die privilegierte, moderne Mira. Trotz aller Gegensätze haben sie vieles gemeinsam. Beide leben in großer Einsamkeit und müssen sich gegen patriarchalische Strukturen sowie traditionelle Rollenerwartungen behaupten. Insofern erzählt Lemon Tree auch die Emanzipationsgeschichte dieser Frauen. Deutlich wird in Riklis' melancholischem, manchmal komisch-absurdem Film vor allem, wie sich Barrieren auch in den Köpfen der Menschen manifestiert haben und eine Lösung des Problems verhindern. Obwohl Salma und Mira Sympathien füreinander hegen, gelingt es ihnen nicht, miteinander zu kommunizieren.
Lemon Tree lädt dazu ein, sich aus der Perspektive der betroffenen Menschen mit dem Nahost-Konflikt zu beschäftigen. Da Eran Riklis die alltäglichen Verrichtungen und Umwelt seiner weiblichen Hauptfiguren genau beobachtet, lassen sich zudem die unterschiedlichen Lebensrealitäten auf israelischer und palästinensischer Seite erläutern. Als Einstieg in das Thema scheint
Lemon Tree wegen seiner parabelhaften Erzählweise jedoch weniger geeignet. Die Schüler/innen sollten zumindest ansatzweise mit den historischen und politischen Fakten vertraut sein.
Autor/in: Kirsten Taylor, 07.08.2008
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