Der dänische Filmemacher Jorgen Leth drehte 1967 den 12-minütigen Kurzfilm The Perfect Human/Der perfekte Mensch . In stark stilisierten und kunstvoll arrangierten Schwarzweißbildern beobachtet dieser Film alltägliche Handlungen einer Frau und eines Mannes wie Waschen, Anziehen oder Essen. Regiekollege und Freund Lars von Trier, der Mitbegründer der dänischen Dogma-Bewegung, die dem Filmschaffen in Europa neue Impulse geben will, überredete Leth im Jahr 2000 zu einem filmischen Experiment. Leth sollte seinen Film in fünf Versionen, deren Stilrichtung Lars von Trier vorgeben würde, neu drehen. – The Five Obstructions ist filmisches Dokument dieser künstlerischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Regisseuren mit dem Original von 1967 und den fünf zeitgenössischen Versionen. Von Triers erste Vorgabe bestand darin, einen Film zu drehen, der keine Einstellung aufweist, die länger als eine halbe Sekunde dauert, also zwölf Bilder umfasst. Dann musste Leth nach Bombay reisen und inmitten einer von Hunger und Armut geprägten Wohngegend einen "perfekten" Menschen bei einem opulenten Mittagsmahl filmen. Reinszenierung drei und vier sind als moderne Version beziehungsweise als Cartoon gestaltet. Die letzte Version wurde von Lars von Trier selbst gedreht, während Jorgen Leth diesen Film rezitieren und die Absichten des Regisseurs wahrnehmbar für alle interpretieren sollte. Entstanden ist ein einzigartiges Werk, dass nebenbei von Triers Ruf als "schwieriger" und kompromissloser Filmemacher zementiert, vor allem aber kritisch und amüsant zugleich den Kunstanspruch des Kinos und die Moralvorstellungen beim Filmemachen reflektiert und offen zur Diskussion stellt.
Autor/in: Holger Twele, 01.07.2004