Eine ungenannte Katastrophe hat die Welt zur Wüste gemacht. Kein Baum, kein Vogel ist mehr am Leben, die letzten verbliebenen Menschen suchen verzweifelt nach Nahrung und schrecken dabei vor nichts zurück. In dieser menschenfeindlichen Umgebung kämpft auch ein Vater mit seinem kleinen Sohn ums Überleben. In ständiger Angst vor Kannibalenbanden machen sie sich auf den Weg nach Süden, wo sich noch Reste menschlicher Zivilisation befinden sollen. Doch die Hoffnung ist gering. Darum lehrt der Vater den Sohn den Gebrauch seines Revolvers, in dem sich noch zwei Kugeln befinden – eine für sich, eine für ihn. Am Ende des Wegs steht die Aufnahme des Sohns in eine Familie, die ihnen die ganze Zeit heimlich gefolgt ist.
Formal und ästhetisch brillant gelingt Regisseur John Hillcoat die Umsetzung eines Science-Fiction-Romans von Cormac McCarthy. Die Endzeitbilder einer gleichförmig mit Staub überzogenen Zivilisationswüste brennen sich ins Gedächtnis, bilden aber nur den Hintergrund eines bewegenden Ringens um Menschlichkeit. Hervorzuheben ist eine ruhige
Montage und der so nüchterne wie einfühlsame Erzählstil, der die Schockeffekte der Vorlage auf ein nötiges Minimum reduziert. Zu den wenigen dramatisierenden Mitteln gehört eine komplexe
Rückblendenstruktur, die den freiwilligen Tod der Mutter vor Augen führt. Den allgegenwärtigen Schmerz lindern kurze Momente des Glücks wie der Fund einer vollen Dose Coca Cola – anrührendes Überbleibsel einer verlorenen Zivilisation, deren wahrer Wert sich nur noch in der Erinnerung erschließt.
Als Warnung vor der ökologischen Katastrophe wäre der Film keineswegs missverstanden, im Zentrum steht jedoch die tiefere Frage nach der Natur des Menschen. Wert und Sinn sozialer Gemeinschaft verkörpern Vater und Sohn, indem sie nur noch für den anderen am Leben festhalten. Doch mit welchem Recht erzieht der Vater sein beharrlich fragendes Kind zum Guten, wenn er selbst einem Bedürftigen die Hilfe verweigert und einen reuigen Dieb aller Habe beraubt? Gibt es eine moralische Grenze des Selbsterhaltungstriebs? Mit solchen Fragen lädt der Film zum Vergleich mit den berühmten Naturzustandstheorien eines Thomas Hobbes oder Jean-Jaques Rousseau ein. Im Philosophieunterricht, aber auch in ethisch und sozial orientierten Fächern eignet er sich für Diskussionen über die Grundlagen sozialen Miteinanders.
Autor/in: Philipp Bühler, 04.10.2010
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