Mahmut, ein Fotograf in Istanbul, ist geschieden und hat kaum soziale Kontakte. Zwischen seiner Exfrau, die gerade im Begriff ist, mit ihrem neuen Mann nach Kanada auszuwandern, und ihm bleibt vieles unausgesprochen. Seine Sexualität lebt er ohne Beziehungstiefe mit einer Frau, die er auf der Straße nicht einmal grüßt. Mahmuts durchgeplanter Alltag und Ordnungswahn werden empfindlich gestört, als er Besuch von einem Verwandten erhält: Yusuf ist arbeitslos und will auf einem Schiff anheuern. Bis er einen Job gefunden hat, soll er bei Mahmut wohnen. Die Jobsuche stellt sich als aussichtslos heraus. Mahmut lässt Yusuf spüren, dass er seinen Aufenthalt als störend empfindet, muss aber auch erkennen, dass dessen einfaches Leben und Scheitern ihm einen Spiegel vorhält. – Uzak , 2003 in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet, ist ein eigenwilliger Film über nicht minder eigenwillige Überlebensstrategien in einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft. Der türkische Regisseur Bilge Ceylan erzählt von der Unfähigkeit, sich im Dialog zu öffnen und anderen etwas zu geben: Mahmut ist unfähig, seine Gefühle zu zeigen, kommt meist noch nicht einmal selbst an diese heran. Und weil in Istanbul traditionelle Werte wie die in Anatolien noch selbstverständliche Gastfreundschaft bedeutungslos geworden sind, tut sich schnell ein Graben auf zwischen der Welt des Intellektuellen und der des Arbeiters vom Dorf. Das dahinter steckende System verweist auf die künstliche Ordnung von Arm und Reich. Ceylan liefert allerdings nur Bilder, keine Erklärungen. Dabei sind es die kleinen Gesten und Blicke, in denen sich die Befangenheit und die Neurosen der Figuren ausdrücken. Sie machen diesen melancholischen Film in der Tradition von Kiarostami und Tarkowskij zu einem kleinen Meisterwerk.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.02.2005