Hanna ist nicht wie andere Mädchen ihres Alters. In der finnischen Wildnis hat sie der Vater, ein ehemaliger CIA-Agent, zur tödlichen Kampfmaschine ausgebildet. In die Zivilisation entlassen, kann sie sich gegen ihre Verfolger problemlos zur Wehr setzen. Die uns bekannte "normale" Welt hingegen begreift sie als aufregendes Abenteuer. Unvoreingenommen und neugierig studiert sie deren Mechanismen, schließt Freundschaften und unterschätzt zuweilen auch die lauernden Gefahren. Nach einer zunehmend mystischen Reise um die halbe Welt entdeckt sie schließlich auch das Geheimnis ihrer Herkunft.
Eine junge Frau, die ihren trainierten Körper ebenso furchtlos einsetzt wie Schusswaffen, ist ein spektakulärer Anblick. Die Actionelemente stehen jedoch nicht im Vordergrund des Films. Regisseur Joe Wright inszeniert Hannas Abenteuer vielmehr als märchenhaft-poetische Erfahrung der eigenen Identität in einer unbekannten Welt. Bemerkenswert ist neben der höchst präsenten Hauptdarstellerin vor allem das abwechslungsreiche Szenenbild: Nach Stationen in der Wüste sowie in Spanien findet der Film seinen Abschluss in einem ehemaligen Vergnügungspark in Berlin. Das Setting in dieser künstlichen Umgebung schließt an expressionistische Filmtraditionen an, auch auf die Märchen der Gebrüder Grimm verweist der Film mehrfach mehrfach. Assoziative
Bildmontagen, komplexe und kunstvolle
Kamerafahrten sowie der pointierte Einsatz von
Musik ergeben ein stilistisch eindrucksvolles Gesamtkunstwerk.
Wie ein weiblicher Kaspar Hauser wirft Hanna einen kindlich-unschuldigen Blick auf eine für sie zauberhafte Welt voller Gefahren und Gewalt. Die märchenhaften, zuweilen gar grotesken Stilelemente verstellen nicht den Bezug zur Realität: Wie jedes Menschenkind muss Hanna lernen, diese Welt zu verstehen und ihre Fähigkeiten verantwortungsvoll einzusetzen. Der spielerische Umgang mit Gewalt, die Hanna auch selbst ausübt, kann im Unterricht kritisch hinterfragt werden. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang eine Genrediskussion, in der jene stilistischen Abweichungen untersucht werden, die den Film von der üblichen Actionware unterscheiden. Auch der allgemeine Wert von Märchen für die Bewältigung des Alltags kann dabei zur Sprache kommen.
Autor/in: Philipp Bühler, 25.05.2011
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