Charlotte Brontës Roman
Jane Eyre (1847) wurde bereits etliche Male für Film und Fernsehen verfilmt; nun hat der amerikanische Regisseur Cary Joji Fukunaga den Klassiker mit großer Sachlichkeit erneut adaptiert. Im Mittelpunkt der im viktorianischen England spielenden Geschichte steht die 18-jährige Waise Jane Eyre, die nach einer entbehrungsreichen Kindheit und Jugend eine Stelle als Gouvernante auf Thornfield Hall antritt. Ihr Dienstherr ist der ebenso charismatische wie unberechenbare Aristokrat Edward Rochester, zu dem sich Jane schnell hingezogen fühlt. Ungeachtet aller gesellschaftlichen Konventionen verlieben sich beide ineinander. Doch dann wird ein von Rochester lang gehütetes Geheimnis enthüllt, das für Jane eine gemeinsame Zukunft unmöglich macht. Fest entschlossen, ihre persönliche Integrität zu bewahren, verlässt sie den Mann, den sie leidenschaftlich liebt.
Regisseur Cary Joji Fukunaga legte die Verfilmung als Psychogramm der Titelheldin und Gesellschaftsporträt an. Dabei erzählt er im Gegensatz zum Roman nicht chronologisch, sondern beginnt mit Janes dramatischer Flucht von Thornfield Hall und ihrer Ankunft im Pfarrhaus, wo sie sich in
Rückblenden an ihr bisheriges Leben erinnert. Den Hauptteil nimmt dabei ihre Zeit als Gouvernante und die Beziehung zu Rochester ein. Obwohl sie sich ihrer sozialen Stellung stets bewusst ist, fordert Jane Eyre von ihm auf intellektueller Ebene einen ebenbürtigen Rang ein. Beide liefern sich wiederholt – meist in
Schuss-Gegenschuss-Einstellungen aufgelöst – sprachlich ausgefeilte Wortgefechte. Die Kamera lenkt dabei mit
Naheinstellungen die Aufmerksamkeit auf Gesichter und Mienenspiel. Passend zum zurückgenommenen Inszenierungsstil geht es bei Kostüm und Szenenbild weniger um Schauwerte, vielmehr dient dies der zeitlichen Verortung und der sozialen Einordnung der Charaktere.
Neben einem Vergleich mit der literarischen Vorlage sowie einer Charakterisierung der Heldin lohnt sich eine Analyse der Sprache (weshalb es sich empfiehlt,
Jane Eyre in der englischen Originalfassung zu sehen), die oft als Mittel der sozialen Abgrenzung dient. Hierbei ist interessant, das freie Denken und Selbstverständnis der Protagonistin zu analysieren. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, sich allgemein mit Rollen- und Frauenbildern im 19. Jahrhundert zu beschäftigen und diese auch im Hinblick auf ihre Darstellung im Film zu untersuchen: Welche Lebensentwürfe hat Jane? Welche Aussichten eröffnen sich ihr als Gouvernante? Was sind ihre Träume und Wünsche und woran scheitert deren Verwirklichung?
Autor/in: Kirsten Taylor, 29.11.2011
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