Benjamin ist ein introvertierter junger Mann, der davon überzeugt ist, dass ihn in der realen Welt niemand wahrnimmt. Also vertreibt sich das Computer-Genie die Zeit im Internet und feiert kleine Erfolgserlebnisse als Hacker. Als Benjamin den charismatischen Max trifft, der ebenfalls am Hacken interessiert ist, eröffnet sich eine neue Welt für den Außenseiter. Gemeinsam mit dem impulsiven Stephan und dem paranoiden Paul gründen die beiden das Hacker-Kollektiv CLAY („Clowns Laughing @ You“) und machen fortan mit harmlosen Cyber-Attacken auf einen rechten Parteitag oder einen Pharmakonzern von sich reden. Um in die oberste Liga der Hacker-Szene aufzusteigen, knackt die Gruppe schließlich die Server des BND – und bringt sich damit in höchste Gefahr. Denn mit ihrer Aktion geraten die Hacker ins Fahndungsraster von Europol und bringen die „Friends“ gegen sich auf, eine mit der organisierten Kriminalität verwobene Hacker-Truppe.
Nach seinem viel beachteten Kinodebüt mit dem Kriminalthriller
Das letzte Schweigen (D 2010) wendet sich der Regisseur Baran bo Odar erneut einem
Genrestoff zu. Sein modern inszenierter und starbesetzter Cyber-
Thriller Who Am I adaptiert mit seiner nicht linearen und doppelbödigen Erzählweise in gewisser Weise die Link- und Verweisstruktur des Internets, das in der Handlung eine zentrale Rolle spielt. In metaphorischen Visualisierungen des Internetverkehrs erscheint der weltweite Datenverkehr als Netz der unbegrenzten, hier meist zwielichtigen Möglichkeiten. Mit seiner elektronischen
Musik, den populären Hauptdarstellern und seiner aktuellen Thematik transportiert der spannend und unterhaltsam erzählte Thriller reichlich Zeitgeist.
Zunächst bietet
Who Am I eine Diskussion über die Bedeutung des Internets an, das heute in fast allen Lebensbereichen präsent ist. Wie verändert das weltweite Netz das gesellschaftliche Zusammenleben und welche Möglichkeiten eröffnet es dem Einzelnen, aber auch kriminellen Organisationen oder Geheimdiensten? Der komplizierte Datenschutz im Internet oder das Kollektiv „Anonymous“, auf dessen bekannte Guy-Fawkes-Masken der Film anspielt, können anhand der Filmstory eine Thematisierung erfahren. Zudem liefert die Entwicklung der von Tom Schilling gespielten Hauptfigur Benjamin vom schüchternen Außenseiter zum „Superhelden“ der Hacker-Szene reichlich Stoff für eine Figurenanalyse. Der Vergleich mit thematisch ähnlichen Filmen wie 23 – Nichts ist so wie es scheint (Hans-Christian Schmid, D 1998) kann überdies die filmästhetischen und dramaturgischen Besonderheiten von
Who Am I herausstellen, der mit schnellen
Schnitten und einer vorantreibenden Erzählweise arbeitet.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christian Horn
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