Kinostart: 18.05.2017 Verleih:Weltkino Filmverleih Regie und Drehbuch: Jakob Schmidt Darsteller/innen: Mitwirkende: Ralf Credner, Anna Kuhnhenn, Katja Wolf u. a. Kamera: Evgeny Revvo, David Schittek Laufzeit: 106 min, deutsche Originalfassung Format: Digital, Farbe Barrierefreie Fassung: nein Filmpreise: DOK Leipzig 2016: Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts, DEFA-Förderpreis für einen herausragenden Dokumentarfilm, Healthy Workplaces Film Award, ver.di-Preis für Solidarität FSK: Ohne Altersbeschränkung FBW-Prädikat: Besonders Wertvoll Altersempfehlung: ab 14 J. Klassenstufen:ab 9. Klasse Themen:Schule, Erziehung, Idealismus, Individuum (und Gesellschaft), Autorität(en), Verantwortung, Vertrauen, Gerechtigkeit, Erwachsenwerden, Filmsprache Unterrichtsfächer:Deutsch, Ethik, Sozialkunde, Pädagogik
Wer sich für das fünfjährige Lehramtsstudium und das zweijährige Referendariat an einer Schule entschließt, bringt oft eine Menge Idealismus mit. So auch die Mitwirkenden des Dokumentarfilms Zwischen den Stühlen, die im Februar 2013 den Schuldienst an einem Gymnasium, einer Grundschule und einer Integrierten Sekundarschule (ISS) in Berlin antreten. Es dauert nicht lange, bis der Unterschied zwischen eigenem Anspruch und Realität deutlich wird. Ralf Credner etwa möchte seinen Schülerinnen und Schülern anhand von Hermann Hesses "Unterm Rad" eine systemkritische Perspektive ermöglichen. Doch die Kinder sind überfordert und schnell gelangweilt. Anna Kuhnhenn bekennt, sie könne mit "Autorität" nichts anfangen, muss aber feststellen, dass ihre Erst- und Zweitklässler/-innen Vernunftargumenten gegenüber kaum zugänglich sind. Ähnliche Erfahrungen macht auch Katja Wolf mit den höheren Klassenstufen der ISS. Wie der Filmtitel verdeutlicht, befinden sich der Referendar und die beiden Referendarinnen in der ambivalenten Situation, vor den Schülerinnen und Schülern als Lehrende, vor ihren Seminarleiterinnen und -leitern als Auszubildende aufzutreten.
Zwischen den Stühlen illustriert den Arbeitsalltag der angehenden Lehrenden zwischen Elterngesprächen und Unterricht. Am Ende ihrer Bemühungen, die Schüler/-innen zu erreichen, überwiegen bei Credner, Kuhnhenn und Wolf vor allem Selbstzweifel. Im Klassenzimmer oder bei den Auswertungsgesprächen mit den Ausbildern und Ausbilderinnen beobachtet die Kamera neutral das Geschehen – der Film orientiert sich hierbei an der Tradition des Direct Cinema. Diese Passagen verbinden Selbstreflexionen, die die Protagonistinnen und Protagonisten in die Kamera sprechen. Der Verzicht auf einen Voice-Over-Kommentar erzeugt Nähe zu den Mitwirkenden, deren Gefühle und Gedanken durch präzise Bildkompositionen unterstrichen werden: etwa das triste Interieur eines Lehrerzimmers oder eine nervös im Laufrad rennende Ratte im Schaukasten eines Schulflurs.
Bildungswissenschaftler/-innen rätseln seit Jahren darüber, was guten Unterricht ausmacht. Eine Reduzierung der Klassenstärke und Homogenität der Lerngruppen fordern Elternverbände und Lehrervertreter/-innen unisono. Der Einsatz digitaler Medien schwebt wiederum Kindern und Jugendlichen vor. Am Beispiel des Films kann im Unterricht über Unterrichtsqualität nachgedacht werden. John Hattie, Professor an der Universität Melbourne, legte 2008 mit "Visible Learning" eine Metastudie vor, die auf Untersuchungen mit 250 Millionen Schülerinnen und Schülern basiert. Guter Unterricht hängt demnach vor allem von der Lehrerpersönlichkeit ab. Davon ausgehend können Schüler/-innen in Zwischen den Stühlen beobachten, wie die Lehrerausbildung die Authentizität der Persönlichkeit fördert und wie Lehrer/-innen wiederum auf die Individualität der Schüler/-innen eingehen (können). Welche Werte und welches Menschenbild werden jeweils vermittelt? Dabei zeigt der Film auch, dass alle drei Mitwirkenden trotz einiger Rückschläge und unterschiedlicher Ansätze das Zweite Staatsexamen absolvieren und im Schulbetrieb ankommen.