Nach langer Abwesenheit kehrt der Geschäftsmann Luo Yusheng in sein Heimatdorf in der nordchinesischen Provinz zurück, weil sein Vater gestorben ist . Die verzweifelte Mutter Zhao Di besteht darauf, dass der Sarg mit dem Leichnam aus der Kreisstadt nicht per Auto oder Traktor überführt, sondern von Männern heimgetragen wird. Während Luo seiner Mutter beim anstrengenden Weben eines Sargtuchs zuschaut, erinnert er sich daran, wie seine Eltern ein Paar wurden: Vor über vierzig Jahren kam Luo Changyu als junger Lehrer in das Dorf der 18-Jährigen, die sich in ihn verliebte. Die aufkeimende Romanze kam für zwei Jahre ins Stocken, als Changyu verbannt wurde. Nach seiner Rückkehr heirateten die beiden und trennten sich seither nie mehr.
Letzte Totenehrung
Um den Wunsch seiner Mutter zu erfüllen, lässt Yusheng über den Bürgermeister einige Männer anwerben. Doch zum beschwerlichen letzten Geleit durch dichtes Schnnetreiben kommen mehr Menschen als erwartet, darunter viele von weither angereiste ehemalige Schüler des Toten. Ergriffen verzichten die gemieteten Träger auf ihren Lohn. In Sichtweite der Schule wird der Lehrer beigesetzt. Zu seinen Ehren hält sein Sohn eine symbolische Unterrichtsstunde in der Schule, bevor er in die Stadt zurückkehrt.
Totenkult und Tradition
Heimweg wurde auf der Berlinale 2000 mit einem Silbernen Bären und dem Hauptpreis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Eingebettet in die melodramatische Romanze und die retrospektive Rahmenhandlung wird mehrfach die für das heutige chinesische Kino zentrale Frage nach dem Verhältnis von Tradition und Moderne gestellt. Im Umgang mit dem Tod stellt sich Zhang Yimou auf die Seite der Tradition: Der Heimgekehrte unterstützt den Wunsch der Mutter, den Leichnam zu Fuß zur Beerdigung tragen zu lassen. So wollte man sicherstellen, dass die Toten den Weg nach Hause nicht vergessen. Der Brauch wurde jedoch seit der Kulturrevolution nicht mehr praktiziert. Kein Wunder, dass der Bürgermeister zunächst fürchtete, nicht genug Träger zu finden und viele junge Leute waren wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten in die Stadt gezogen.
Nostalgische Rückschau?
In der farbenprächtigen Rückblende werden andere Bräuche als antiquiert dargestellt: Das Bauernmädchen darf ihren Schwarm beim Bau der Schule nicht besuchen, denn einem alten Volksglauben zufolge bringen Frauen auf einer Baustelle Unglück. Und der Sohn berichtet zustimmend aus dem Off, dass seine Eltern in einer Zeit der arrangierten Hochzeiten die ersten Dorfbewohner waren, die aus Liebe heirateten. Ästhetisch bricht Zhang Yimou mit der gängigen Konvention, im Film die Vergangenheit in Schwarzweiß und die Gegenwart in Farbe zu drehen. Bei ihm ist das heutige Dorf in ein fahles graues Licht getaucht, während die Natur im Rückblick auf die ausgehenden 50er Jahre in prächtigen Farben erblüht. Soll damit vermittelt werden, dass das Leben damals trotz der härteren politischen Restriktionen erfüllter, ja glücklicher war als heute? Auch die schwelgerisch-symphonische Musik und die "poetische Erzählung" des einstigen Dorflebens deuten auf eine nostalgische Verklärung. Problematisch wird das vor allem, wenn der geachtete Dorflehrer es in vierzig Jahren nicht schafft, seiner Frau Lesen und Schreiben beizubringen.
Überflüssig oder Zensur?
Warum der junge Lehrer in Maos Reich von den Behörden abberufen wurde, ist mit dem kolportierten Vorwurf des "rechten Elements" nur angedeutet. Völlig offen bleibt, was mit Changyu in den zwei Jahren passierte, in denen er nicht ins Dorf zurückkehren durfte. Wenn man bedenkt, welchen Repressalien erst kürzlich Zhangs namhafter Kollege Jiang Wen wegen seines historischen Films
Teufel vor der Tür in der Volksrepublik ausgesetzt war, liegt die Vermutung nahe, dass die Zensur weitergehende Andeutungen in
Heimweg nicht zuließ.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.08.2000