Hintergrund
Karriere? Küche? Kinder?
Szene aus dem Film "Bella Martha"
Martha im Film von Sandra Nettelbeck ist eine Frau, die vollkommen in ihrem Beruf aufgeht, die Kochen zu ihrer Leidenschaft erklärt hat. Eine Frau, alleinlebend, die als Chefköchin für die Haute Cuisine lebt. Kein Abdriften, kein Gedanke an Partnerschaft, Kinderkriegen, Babypause, Familienleben. Eine Frau, die ihren Lebensinhalt gefunden hat – ohne Wenn und Aber. Doch dieser Frau schlägt das Leben ein Schnippchen und fordert sie heraus. Denn auf einmal ist ein Kind in ihrem Leben – die Tochter ihrer tödlich verunglückten Schwester.
Wie geht Martha mit dieser Situation um?
Sicher erst einmal wie jede Frau, die mit diesem Thema konfrontiert ist: mit Fragen, Unsicherheiten, Bedenken und Ängsten. Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen ist nicht einfach. In den Köpfen vieler Frauen (und Männer?) existiert der Traum vom Superweib, das alles – Partnerschaft, Kinder, Traumberuf – spielerisch regelt. Es ist der Traum von den Madonnas, Nadja Auermanns, Hera Linds dieser Welt, die mit ihrer Persönlichkeit und einer gehörigen Portion Chuzpe trotz der Kinder ihren Weg gehen. Realität hierzulande ist jedoch, dass berufstätige Frauen mit Kindern zunächst einmal harte Jahre vor sich haben. Sie werden zu überforderten, mit Schuldgefühlen belasteten und – vergessenen Heldinnen unserer Gesellschaft.
Berufstätige Frauen mit Kind
Ist der Sprössling erst einmal da, gilt es neben der Erfüllung der Mutterpflichten mit einer Reihe zusätzlicher Herausforderungen umzugehen. Trotz neuer Arbeitszeitmodelle wie flexible Teilzeit, Job-Sharing, Gleitzeit und Telearbeit sind handfeste Alltagsprobleme zu meistern: Nur fünf Prozent der Kinder unter drei Jahren können in Krippen versorgt werden. Das hat zur Folge, dass nur 33 Prozent aller deutschen Frauen mit Kindern unter drei Jahren berufstätig sind. In Frankreich dagegen sind es 74 Prozent aller Frauen. Auch der gesetzlich garantierte Anspruch auf einen Kindergartenplatz nutzt wenig, wenn dieser mancherorts nur von acht bis zwölf Uhr geöffnet ist. Selbst die besten Teilzeitverträge sind mit solchen Öffnungszeiten nicht vereinbar. Da bleiben oft nur private Anbieter, die für ihre Betreuungsleistung nicht selten das Nettogehalt der berufstätigen Mutter verschlingen und obendrein oft nicht wirklich qualifiziert sind. Eine deutsche Tatsache, die für unsere Nachbarinnen in Frankreich unfassbar ist: Ganztagsbetreuung von der Vorschule bis zum Abitur ist in Frankreich garantiert.
Karriereknick
Auch zum Thema Erziehungsurlaub gibt es nicht ausschließlich Positives zu berichten. Bemerkenswert ist, dass lediglich 1,5 Prozent der Männer in Deutschland ihr Recht auf Erziehungsurlaub wahrnehmen. Im Allgemeinen müssen Frauen zu Hause bleiben, da sie meist weniger verdienen als ihr Partner und eine Reduzierung seines höheren Gehalts ein Luxus wäre, den sich die meisten Familien nicht leisten können. Ein Umstand, den Frauen oft mit einem Karriereknick bezahlen. Denn diejenigen, die aus dem Mutterschutz zurückkehren, berichten überdurchschnittlich häufig, dass sich schon durch diese kurze Pause ihre Position im Beruf verschlechtert hat. Das gilt noch mehr bei einem Erziehungsurlaub. Obwohl der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach wie vor problematisch ist, werden viele Frauen jedes Jahr Mutter. Die Neudefinition der Geschlechterrollen wird nicht allein durch den Konservatismus der Männer, die an ihren angestammten Privilegien festhalten wollen, behindert, sondern auch durch eingefahrene Verhaltensmuster und ungeschriebene "Dienstregelungen", welche die Bewahrung traditioneller Geschlechterrollen fördern.
"Rabenmütter"
Die größte Belastung für Frauen hierzulande ist der diffus-romantische Gedanke, dass eine gute Mutter zu ihrem Kind gehört: Tag und Nacht. Sonst, so wird von den unterschiedlichsten Seiten immer wieder behauptet, entstehen Persönlichkeitsstörungen, Fehlentwicklungen, das Kind gerät auf die schiefe Bahn. Ein Muttermythos, der von den Nationalsozialisten perfektioniert wurde und sich hartnäckig bis heute hält. Da ist der Gedanke von der karrieresüchtigen Rabenmutter nicht weit. Es gibt kaum eine berufstätige Mutter, die sich noch nie mit solchen Schuldgefühlen geplagt hätte. Ein interessantes Detail in diesem Zusammenhang ist, dass in der französischen Sprache das Wort "Rabenmutter" gar nicht erst existiert und Französinnen auch bei näherer Erläuterung des Wortes erhebliche Verständnisschwierigkeiten haben.
Nur wenige Wahlmöglichkeiten
Es sieht also fast so aus, als bliebe Frauen in Deutschland nur die Wahl zwischen Kindern inklusive Halbtagsjob zum "Dazuverdienen" (wohl kaum die berufliche Erfüllung) und Karriere, verbunden mit dem bewussten Verzicht auf Nachwuchs. Schade eigentlich, denn so verzichten wir einerseits auf lebendige, kinderreiche Gemeinschaften und andererseits auf Tausende hochqualifizierte weibliche Arbeitskräfte. Frauen, die mitten im Leben stehen und der Geschäftswelt sehr viel zu geben hätten und nicht als "stille Reserve" reaktiviert werden, wenn es gilt, den Arbeitskräftemangel zu beseitigen. Kinder großzuziehen ist also immer noch eine Sache für wirkliche Idealisten. Kreativität, Engagement, Familienmanagement und Durchhaltevermögen sind gefragt wie nie. Und immer noch gilt: Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr.
Autor/in: Eva Arnold, 21.09.2006