Das Interview führte Margret Köhler.
Ganz schön mutig, in Zeiten harter Jungs einen Blick auf junge Liebe in Zeiten von Aids zu werfen ...
Eine deutsche Kinokomödie zu drehen, entspricht einfach nicht meinem Wesen. Mir ist irgendwann mal aufgefallen, dass kaum noch jemand über Aids spricht, als ob es das nicht mehr gäbe. Als ich so jung war wie meine Protagonisten, herrschte dagegen eine richtige Hysterie. Ich bin ein sehr romantisch veranlagter Mensch und wollte eine Geschichte erzählen, in denen Verliebte in ein Dilemma geraten. Das größte heißt heute Aids, aber ich habe keinen Aidsfilm gedreht.
Wie haben Sie recherchiert?
In Düsseldorf existiert eine HIV-Ambulanz für Kinder. Der Arzt, die Psychologin und die Sozialarbeiterin freuten sich, dass überhaupt mal jemand das Thema aufgreift und machten mich mit den Kids bekannt. Die 13- bis 17-Jährigen habe ich ein Wochenende nach Köln eingeladen und wir redeten stundenlang über ihr Leben, ihre Erfahrungen, Behandlungsmethoden und Medikamente. Es war für alle sehr wichtig, sich einmal mit Gleichaltrigen austauschen zu können. Denn diese Jugendlichen leben ganz unauffällig bei ihren Eltern und halten die Krankheit nach außen geheim, um eine Ausgrenzung zu vermeiden. Anschließend habe ich das Treatment überarbeitet.
Wie haben Sie über Sexualität diskutiert?
Das war ein wichtiges Thema. Die meisten Mädchen waren aber noch nicht so weit. Bei den Jungen gab es ganz unterschiedliche Verhaltensweisen. Ein 17-Jähriger hat die Abstinenz gewählt, weil er nicht mit der Gefahr leben will, jemanden anzustecken. Bei ihm bleibt es beim Händchenhalten und Knutschen. Wenn die Verbindung enger wird, beendet er sie unter einem Vorwand. Ein 14-Jähriger pflegt schon ein reges Sexleben. Er benutzt Kondome, verheimlicht den Mädchen aber die Krankheit. Seine Lebensphilosophie entbindet ihn von Verantwortung. Er sagt sich, jeder Mensch hat eine bestimmte Nummer im Leben und wenn die aufgerufen wird, ist er dran, egal ob er durch Aids stirbt oder durch einen Verkehrsunfall. Seine jetzige Freundin weiß allerdings Bescheid.
Warum ausgerechnet Jugendliche als Hauptfiguren?
Das war eine ganz bewusste Entscheidung. Wenn sich Filme mit Aids beschäftigen, geht es meistens um Schwule oder – wenn man ganz couragiert ist – HIV-infizierte Frauen oder Sterbende. Dabei sind sehr viele junge Menschen betroffen. Spannend fand ich auch die Frage, wie das verliebte Mädchen auf die Infektion des Partners reagiert. Es gehört viel Mut zu so einer Freundschaft. Ich glaube, ich wäre zu feige. Theoretisch wären wir alle gerne Helden, aber in der Praxis sind wir doch nicht so stark, wie wir uns das vorstellen.
Wollten Sie mit dem Titel "Fickende Fische" provozieren?
Als ich wusste, ich erzähle die Liebesgeschichte eines 16-jährigen HIV-Positiven mit Affinität zu Fischen, war mir klar, dass die Frage "Ficken Fische eigentlich?" kommen musste und der Titel schoss mir sofort in den Sinn. Er ist nicht nur eine Alliteration, sondern er bringt zwei Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammen gehören. Wie die Lust der Jugend am Leben und die tödliche Krankheit eines Jugendlichen.
Sie zeigen sehr präzise die Hilflosigkeit der Eltern. Warum?
Ich habe sie sehr stark bei den Eltern der Kids gespürt, die mich in Köln besuchten. Wenn mir ein 14-Jähriger erzählt, dass er sich am Wochenende mit Alkohol zudröhnt und sein Vater nichts merkt, dann gehört nicht viel Fantasie zum Begreifen, dass der Erwachsene sehr wohl registriert, was los ist, aber dem Ganzen hilflos gegenüber steht. Für die Eltern ist die Situation schlimm. Was sollen sie auch ihren Kindern sagen, die genau wissen, dass jeder Tag der letzte sein kann? Dazu kommt noch der Zwang zum Schweigen, die Angst, dass die Krankheit von Nachbarn, Freunden oder anderen Schülern entdeckt wird und noch mehr Isolation hervorruft. Sie haben niemanden, mit dem sie reden können, sind genau so allein gelassen mit dem Problem wie die infizierten Heranwachsenden.
Sie waren vorher Journalistin. Woher kam der Wunsch, als Regisseurin neu zu starten?
In einem sehr langsamen Prozess. Über vier Jahre arbeitete ich bei verschiedenen Sendern wie RTL, ORB oder SAT 1. Der Wendepunkt kam durch eine erschütternde Reportage in den Slums von Kalkutta. Auf dem Bildschirm sah hinterher alles so schön bunt aus, das Elend ließ sich nicht wirklich vermitteln. Auch dieses ständige Auf-Termin-Arbeiten, der Mangel an Zeit war unbefriedigend. Ich komme vom Dokumentarfilm und bleibe ihm in irgendeiner Form auch in Zukunft treu. Die Welt da draußen ist voller toller Geschichten, die kann man sich im Spielfilm gar nicht ausdenken, niemand würde sie glauben. Bei diesem Thema hätte ich allerdings die Kids nie vor die Kamera bekommen, noch nicht mal ins Radio, weil sie die folgenschwere Entdeckung befürchten. Da eröffnete der Spielfilm bessere Möglichkeiten.