Das Interview führte Margret Köhler.
Haben Sie sich schon lange mit dem Thema Reproduktion beschäftigt?
Eigentlich nur als ganz normal interessierter Mensch und Zeitungsleser. Erst als ich die Drehbuchfassung von Claus Cornelius Fischer erhielt, bin ich konkret über die Problematik gestolpert und habe dann sofort den Roman von Charlotte Kerner gelesen und Anmerkungen gemacht, wie wir Roman und Drehbuch noch intensiver verknüpfen könnten.
Was war der Ausgangspunkt Ihrer Überlegungen?
Die Frage für mich hieß: Wie fühlt man sich, wenn man aus einer kleinen Hautzelle, quasi aus einem Abfallprodukt, hergestellt wird und nur als Kopie existiert? Viele "Klon-Filme" handeln davon, dass das Original von einem Heer von Klonen bedrängt wird. Das ist völlig unlogisch. Der Klon wird sich vielmehr bedrängt fühlen, weil es ihm an der Einzigartigkeit des Menschen fehlt. Die Geschichte des Films dreht sich primär um die inneren Gefühle eines solch künstlich geschaffenen Wesens.
Gehört es nicht zum Menschheitstraum, sich quasi unsterblich zu machen? Nicht erst seit Frankenstein verfolgen wir dieses Bestreben auf der Leinwand.
Das ist ein faszinierendes Phänomen. Wie muss jemand gestrickt sein, der glaubt, er müsse wirklich der Nachwelt erhalten bleiben? Deshalb interessiert mich natürlich auch die Figur der Iris. Sie ist schon hybrid, wenn sie vorgibt, nur ihre Kunst des Klavierspiels erhalten zu wollen. Dazu kommt der Mutter-Tochter-Konflikt, bei dem beide verlieren.
Geht die Gen-Technologie bei uns zu weit?
Wo liegen die Grenzen? Wichtig ist die genaue Trennung zwischen dem, was dem Menschen medizinisch helfen kann und der Reproduktion um ihrer selbst willen. Ich halte die Schaffung eines Klons für falsch und verderblich. Es müssen gesetzliche Bestimmungen her, die ganz klar das Verbotene und das Erlaubte definieren. Die Auswirkungen einer Grauzone wären verheerend. Der Satz von G. C. Lichtenberg *) "Lieber Gott, mach alles, was du willst, aus mir, mach einen Stein, einen Baum, einen Vogel aus mir – nur mach mich nicht noch einmal" ist schon Jahrhunderte alt, aber immer noch aussagekräftig.
Sie zeichnen den Wissenschaftler nicht als Monster, sondern sehr facettenreich. Wie haben Sie recherchiert?
Sein Credo lautet: Was gedacht werden kann, muss auch getan werden" – die Grundlage jeder Wissenschaft. Mit dieser Prämisse erfand man die Atombombe, aber auch die Atomkraft. Diese Neugier kann als Motor dienen, birgt aber auch eine Gefahr in sich und mündet immer in eine moralische Frage, was man machen darf und was nicht. Die Ergebnisse meiner Gespräche mit Wissenschaftlern und Reproduktions-Medizinern sind in das Drehbuch eingeflossen. Viele von ihnen stehen dem Klonen positiv gegenüber und gehen davon aus, eines nicht zu fernen Tages die noch existierenden Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Das Irrsinnige daran ist: Man ist schon sehr nahe dran. Mich erschreckt die Kaltblütigkeit in der Vorgehensweise: Nach 500 gescheiterten Versuche an Embryos klappt vielleicht der 501. Versuch. Aber wen kümmert es, was mit dem "Rest" geschieht?
Ist die Entwicklung überhaupt aufzuhalten?
Im Moment gelten einige Tabus noch als Hemmschwelle. Die Stammzellenforschung wird sich durchsetzen. Es kommt in den nächsten Jahren eine Menge auf uns zu.
Mich hat der weiße Stern mit dem Schriftzug "Klon" irritiert, den sich Siri nach dem gemeinsamen Konzert mit ihrer Mutter anheftet.
Das ist ein Zeichen hilflosen Protestes, sie weiß nicht, wie sie sonst reagieren soll. Im ersten Drehbuchentwurf stand ein gelber Judenstern. Das habe ich rausgeworfen, hätte es degoutant gefunden. Mit dem weißen Stern weist Siri auf ihr Gefühl als Ausgestoßene hin, deshalb diese Marke. Das finde ich dann doch einleuchtend.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Buchautorin Charlotte Kerner?
Sehr gut. Sie hat mir sehr bei den Recherchen geholfen und verstanden, dass ein Roman etwas anderes ist als ein Film. Was mich besonders freut: Sie mag den fertigen Film.
Wieso ist ein Teil der Handlung in Kanada angesiedelt?
Das war schon in der ersten Drehbuchfassung so angelegt und hat mir gut gefallen. In dieser endlosen Weite der Natur kann sich Siri verstecken. Sie benötigt Ruhe, um in sich zu gehen und über sich selbst Klarheit zu gewinnen.
Inwieweit hoffen Sie, die aktuelle Diskussion über Gen-Technologie beeinflussen zu können?
Ich hoffe natürlich, dass das Publikum den Bogen zur aktuellen Auseinandersetzung schlägt. Ich gehöre nicht zu den Regisseuren, die nur einen unterhaltsamen Film an der Kinokasse abliefern, sondern strebe eine Nachhaltigkeit an. Der Zuschauer sollte nicht unbedingt nahtlos zum Bier übergehen, es wäre schön, wenn mein Film Diskussionen und Gedanken auslösen könnte.
*) Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Physiker und Schriftsteller