Mehrfach schon haben sich Kinofenster-Ausgaben mit den Themenbereichen Jugend, Rollenbilder und (sexuelle) Identität beschäftigt, aber noch nie explizit mit dem Thema Homosexualität. In Zeiten zunehmender Liberalisierung gibt es inzwischen die Homo-Ehe und selbst das öffentliche Coming-out von Persönlichkeiten aus Showbusiness, Sport oder Politik gibt längst keinen Skandal mehr ab. Filme über Lesben und Schwule haben ihren anfänglichen Nischenstatus verlassen und den Nimbus des Spektakulären verloren, wie ihn seinerzeit noch Wolfgang Petersens Die Konsequenz oder die Filme Rosa von Praunheims und Frank Riplohs hatten. Deutsche wie internationale Spielfilme über Homosexuelle und ihre alltäglichen wie spezifischen Probleme sind mittlerweile zu einem integrativen Bestandteil des regulären Kinoprogramms geworden. Binnen weniger Wochen rund um diese Ausgabe werden gar ein gutes halbes Dutzend solcher Filme in den Kinos gestartet, von denen drei an dieser Stelle ausführlich vorgestellt werden.
Für Jugendliche sind Gender-Troubles im Rahmen ihrer Suche nach sexueller Identität und ersten direkten Sexualerfahrungen nach wie vor von besonderer Bedeutung. Die Selbstdefinition eines Menschen läuft auch über das Geschlecht und die von der Gesellschaft offerierten Rollenbilder. Orientierung mündet dabei nicht selten in Abgrenzung. Insbesondere bei Jugendlichen männlichen Geschlechts scheint eine solche Abgrenzung zum eigenen Geschlecht ein gängiges Mittel der Identitätsfindung zu sein und alles, was bzw. wer dabei nicht ins Stereotyp eines "richtigen" Mannes passt, wird zunächst mit Argwohn oder Ablehnung betrachtet. Trotz der Liberalisierung unserer Gesellschaft gerade im Bereich der Homosexualität ist es für entsprechend veranlagte Jugendliche auch heute nicht selbstverständlich, sich zu outen und nur selten haben sie dabei Hilfe von den Erwachsenen zu erwarten. Ressentiments in der Gesellschaft Lesben und Schwulen gegenüber sind insbesondere in eher ländlich geprägten Gebieten alltägliche Realität geblieben. So möchte diese Themenausgabe einerseits aufzeigen, wie sehr sich der gesellschaftliche wie filmisch reflektierte Umgang mit Homosexualität bereits geändert hat, andererseits zu einer offenen und von Toleranz geprägten Auseinandersetzung mit dem im Schulunterricht bisher nur selten aufgegriffenen Thema ermutigen.
In Pedro Almodóvars Melodram
La mala educacion - Schlechte Erziehung sind die beiden Hauptfiguren fast noch Kinder, als sie ihre Homosexualität in einem katholisch geführten Internat entdecken. Statt sie in der restriktiven spanischen Gesellschaft früherer Jahrzehnte leben zu können, nutzt ein Priester die Situation für eigene sexuelle Gelüste und missbraucht einen der Jungen sexuell. Diese in Rückblenden vermittelten Erfahrungen bestimmen den weiteren Lebensweg der beiden Jungen auf dramatische Weise, bleiben aber auch für den Priester nicht ohne Folgen. – Ganz gegenwartsbezogenen und wesentlich toleranter geht es in dem humorvollen Jugenddrama
Sommersturm von Marco Kreuzpaintner um das "erste Mal" hetero- wie homosexueller Jugendlicher, um die Schwierigkeiten des Coming-out und allgemein um typische Konflikte von Heranwachsenden. Bei einem Sommerzeltlager eines Bayerischen Ruderclubs werden die Jugendlichen mit einer selbstbewussten schwulen Rudermannschaft aus Berlin konfrontiert. Einige reagieren darauf homophobisch, andere mit Verständnis und Toleranz, einer von ihnen erlebt seine erste Liebe mit einer Person des gleichen Geschlechts und findet zu einem neuen Selbstverständnis. –
Männer wie wir von Sherry Hormann ist eine amüsante Ruhrpott-Komödie um einen jungen Fußballstar, der von der heimischen Mannschaft geschnitten wird, nachdem er auf dem Spielfeld einen Fehler machte und sich danach als Schwuler outete. Um es den einstigen Freunden zu zeigen, möchte er mit einer eigenen Fußballmannschaft gegen sie antreten, die ausschließlich aus Schwulen besteht. Doch er hat es nicht leicht, in der traditionellen Männerdomäne des Fußballsports geeignete Mitspieler zu finden, die öffentlich zur ihrer sexuellen Ausrichtung stehen.