Das Interview führte Margret Köhler.
Schon in Väter und vor allem in Meschugge beschäftigen Sie sich mit dem Thema Familie. Woher kommt dieses starke Interesse?
Familie ist das Nest, in dem wir alle leiden und leben, und die wir um uns haben wollen. Sie war immer schon Brutstätte gesellschaftlicher Phänomene und Konflikte. Am Familientisch und im Ehebett fallen die großen gesellschaftlichen Entscheidungen. Die Herkunft prägt uns, determiniert unser Verhalten draußen in der Welt – in der Liebe mit dem Partner, im Beruf und künstlerischen Ausdruck, im Verhältnis zu den eigenen Kindern.
Was bedeutet Familie für Sie persönlich?
Ich bin nicht gerade im Kreis von warmherzigen Familienmitgliedern aufgewachsen. Deshalb laufe ich auch teilweise verloren in der Welt herum und weiß nicht, wo ich hingehöre. Familie war für mich immer ein großer Traum, ein großes kraftvolles Gefäß, das Halt gibt, aus dem heraus man extrem gut arbeiten und leben kann. Nicht zufällig arbeite ich immer mit den gleichen Leuten zusammen, mein Filmteam ist auch eine Art Familie.
Was ist das Spezielle an einer jüdischen Familie?
Ich will nicht die jüdische gegenüber einer nicht-jüdischen Familie herausstellen, glaube aber, dass in der jüdischen eine bestimmte Form von Liebe zum Psychologischen und Analytischen, zum Selbstironischen und Tragikomischen dominiert. Es gibt dort vielleicht auch eine genetisch bedingte Mischung aus Humor und Melancholie. In einer jüdischen Familie regiert ein sehr ausgeprägtes psychologisches Bewusstsein, kleine Streitereien und größere Konflikte werden dort mit großem Genuss exerziert und ausgewalzt – und man lacht mehr darüber.
Über Woody Allens Humor amüsieren wir uns, machen aber einen Riesenbogen um jüdischen Humor aus Deutschland.
Wir haben hier keinen Woody Allen. Jüdische Witze sind nicht richtig witzig, das ist kein Ostfriesenhumor, sondern da gibt es diese bittere und oft sehr bissige Seite. Daran muss sich so mancher erst gewöhnen.
Jüdische Kultur hat für viele Menschen immer noch etwas Exotisches – wieso eigentlich?
Ich sehe zwei Tendenzen: Entweder akzeptiert man sie als Nischenkultur oder man hat gar nichts damit am Hut, wie die meisten Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung hat schlicht und einfach Null Erfahrung mit anderen Kulturen, das betrifft nicht nur die jüdische. In der Hemmschwelle und den Berührungsängsten liegen auch die Ursachen für Antisemitismus und Rassismus. Wenn Minderheiten im Alltag schon nicht vorkommen, sollten wir sie in Theater, Musik oder Film berücksichtigen. Das kann aus Ängsten genährte Vorurteile abbauen, diese Fremden sind dann nicht mehr der geldgeile Geier oder der Verlierer, sondern ganz normale Menschen mit Sorgen und mit Frauen und Kindern. Der Wille, über andere Kulturen etwas zu erfahren, ist dennoch da. In Zeiten eines globalisierten Weltbildes halte ich den kulturellen Austausch heute wichtiger denn je.
Unterhaltungsfilme über jüdische Identität sind in Deutschland eher selten. Sehen Sie Alles auf Zucker! als Wegbereiter?
Ich wünsche mir natürlich, dass man sich etwas aus der Agonie des "Untergangs" befreien kann und sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden stärker normalisiert, sich langfristig Berührungsängste abbauen. Die Zeit dafür ist mehr als reif.
Unter welchem Etikett soll der Film "verkauft" werden?
Als Familienkomödie beziehungsweise als Geschichte eines Mannes, der eigentlich alles verloren hat und weiter kämpft. Nicht zufällig heißt es in einer Szene: "Ich stehe bis zum Hals in Scheiße, aber der Ausblick ist gut." Der Film spielt mit populistischen Dingen, ist also nicht im geringsten vergrämt ethnisch, sondern sollte Zuschauer aller Altersstufen und sozialen Gruppen gleichermaßen bewegen. Opfergeschichten will niemand mehr.
Was macht eine Komödie aus?
In der Komödie schaut die Hauptfigur immer nach vorne und befreit sich aus dem Schlamassel. Dieses Ärmelaufkrempeln und dieser Optimismus, auch bei verlotterten Leuten wie Jaeckie Zucker, macht eine Komödie so erfrischend und ermutigend. Man kann Figuren frech mit einem groben Pinselstrich hinskizzieren und dem Zuschauer Sachen zumuten, die er in einer Tragödie ablehnen würde.
Das Ende ist nicht einfach "happy", sondern eher Interpretationssache.
Ich lasse ein Stück Hoffnung. Jaeckie Zucker muss nichts gewinnen, er hat nie gewonnen. Er lebt noch, sitzt nicht im Knast und kann weiter Billard spielen. Ob er wirklich in Zukunft mit seiner Frau und seinen Kindern Kontakt hält, wie er augenzwinkernd verspricht, glaubt man ihm sowieso nicht richtig. So einem Schlawiner traut man alles zu, aber man ist auf seiner Seite.
Haben Sie eine neue Komödie in petto?
Schon seit drei Jahren beschäftige ich mich mit dem Projekt
Todglücklich. Da geht es aber nicht mehr um jüdische Identitäten. Den Zyklus habe ich jetzt abgeschlossen.