Verweigerte Musterkarriere
Nordip Doenia, Sohn eines marokkanischen Einwanderers in den Niederlanden, hat es geschafft: Sein Abitur gelang ihm mit Noten, von denen seine Mitschüler/innen nur träumen können. Kein Wunder, dass sein Vater hofft, Nordip werde nun Medizin studieren. Der Abiturient weiß zwar noch nicht, was er werden will – aber Arzt ganz bestimmt nicht. So jobbt er zunächst heimlich in dem Hotelrestaurant “Blauer Geier” als Tellerwäscher. Seinem strengen Vater gegenüber behauptet er jedoch, in einer Bibliothek zu arbeiten. Die vergammelte Restaurantküche unter Leitung des ewig betrunkenen, faulen Chefkochs Willem erweist sich als Tummelplatz schräger Typen aus Serbien, Marokko, der Türkei und den Niederlanden, die den Musterschüler nach Strich und Faden schikanieren. Nachdem Nordip die Intrigen des Schnitzelbraters Sander, die Drohgebärden des zwielichtigen serbischen Metzgers Goran und die Späße des geschwätzigen Marokkanerduos Amimoen und Mo ertragen hat, steigt er aber rasch zum Hilfskoch auf.
"Romeo und Julia"-Motive
Inmitten schmutziger Pfannen und unappetitlicher Essensreste begegnet der ansehnliche Nordip erstmals der bezaubernden Agnes. Die Nichte der Hotelbesitzerin Nina Meerman jobbt hier als Kellnerin, weil sie als künftige Erbin den Betrieb von der Pike auf kennen lernen soll. Nach anfänglichem Geplänkel kommen die beiden sich rasch näher, müssen die Liebelei aber vor ihren Eltern verbergen. Doch dann verpfeift Nordips Bruder Nadir, ein großmäuliger nicht allzu intelligenter Tunichtgut, ihn bei Agnes’ Vater. Außerdem sabotiert die eigensüchtige Hotelbesitzerin, die selbst ein Auge auf den Jüngling geworfen hat, die aufkeimende Romanze.
Schwarzer Humor gegen gängige Vorurteile
Mit seinem vierten Spielfilm gelang dem niederländischen Regisseur Martin Koolhoven ein Volltreffer: Im Jahr 2005 war die schwungvolle Multikulti-Komödie der besucherstärkste einheimische Kinofilm der Niederlande. Mit seiner respektlosen Komödie traf er den Nerv vor allem des jungen Publikums, indem er mit schwarzhumorigem Witz und frechen Pointen die Vorurteile des niederländischen Bürgertums ebenso karikierte wie die Aufstiegsträume vieler Migranten/innen und die Hoffnungen und Illusionen der illegalen Arbeitskräfte.
... und für mehr Toleranz
Der 1969 in Den Haag geborene Regisseur konnte mit
Schnitzelparadies an den Erfolg der thematisch verwandten Komödie
Shouf Shouf Habibi seines Regiekollegen Albert ter Heerdt anknüpfen, die 2004 zum erfolgreichsten einheimischen Film der Niederlande avanciert war. Wie
Shouf Shouf Habibi kleidet auch
Schnitzelparadies seine Botschaft für Toleranz in eine amüsante Sozialromanze mit mitreißender Musik und garantiertem Märchenschluss. Die heruntergekommene Großküche, eher eine "Schnitzelhölle" als ein "Schnitzelparadies", fungiert mit ihrer buntgemischten ethnischen Belegschaft und der strikten Hierarchie gleichsam als Mikrokosmos der multikulturellen niederländischen Gesellschaft, die schon seit Jahren heftig darüber diskutiert, welches die besten Wege zur Integration der diversen Kulturen von Immigranten/innen seien.
Generationenkonflikte
Der Konflikt zwischen den Generationen bildet einen weiteren Handlungsstrang des Films: Nordip bemüht sich, in bewusster Negierung der beruflichen Vorgaben des wohlmeinenden Vaters, seinen Lebensweg zu finden und nimmt dabei auf eigene Faust auch Umwege in die Niederungen der heutigen Arbeitswelt in Kauf. Die arrogante Hotelchefin wiederum schickt ihre kooperative Nichte gezielt in die Niederungen des rauen Alltags im Dienstleistungsgewerbe, um ihr eine bessere Sachkenntnis für die geplante spätere Managementposition zu verschaffen. Doch sie muss sich damit abfinden, dass der jungen Frau der arabische Tellerwäscher, der auf der sozialen Rangleiter weit unter ihr steht, so sehr gefällt, dass sie wegen ihm sogar dem vorgegebenen Karriereweg (vorerst) den Rücken kehren möchte.
Liebe über Kulturgrenzen hinweg
Die pointenreiche Inszenierung, deren ironisch-flotte Machart auch an die Immigrantenkomödie
Jalla Jalla (2000) des schwedischen Filmemachers Josef Fares erinnert, wird von einem überaus spielfreudigen Ensemble getragen. Vor allem der aus Marokko stammende Mounir Valentyn und die junge niederländische Nachwuchsschauspielerin Bracha van Doesburgh lassen die Funken fliegen. Sie bilden in dieser kulturübergreifenden Romeo- und-Julia-Variation ein fotogenes Paar mit hohem Identifikationsfaktor. Natürlich ist diese Liebesbeziehung über Kulturgrenzen hinweg von einer märchenhaft überhöhten Stilisierung geprägt, aber Koolhoven schildert die Romanze so schwungvoll und spritzig, dass man ihm diese Naivität gerne verzeiht. Gerade indem er mit leichter Hand zeigt, dass die Romeo- und- Julia-Konstellation in einer modernen Gesellschaft allen Widrigkeiten zum Trotz nicht mehr in eine Tragödie münden muss, macht er einem jungen Publikum Mut, sich nicht vorschnell mit sozialen Hierarchien abzufinden und vermittelt zugleich die Hoffnung, eigene Wege zur Selbstverwirklichung zu erproben.
Autor/in: Reinhard Kleber, 06.02.2007