Hintergrund
Heavy Metal Thunder
"I like smoke and lightning", sang John Kay von der Band Steppenwolf, "heavy metal thunder". Schwere Bluesgitarren dröhnten, der Bass grummelte, das Schlagzeug donnerte. Das war 1968 und der Titel des Songs lautete "Born to be Wild".
Nahezu vier Jahrzehnte später ist immer noch nicht geklärt, wer den Begriff "Heavy Metal" tatsächlich erfunden hat. Sicher ist nur, dass Steppenwolf-Chef Kay diese Wortkombination als erster in einem Studio aufnehmen ließ. "Born to be Wild" wurde erst ein Jahr später ein Hit, als der Song prominent auf dem Soundtrack des erfolgreichen Kult-Films Easy Rider (R: Dennis Hopper; USA 1969) zu hören war. Aber Heavy Metal in der heutigen Wortbedeutung war das Lied nicht, selbst wenn in Text und Musik die grundsätzlichen Ideen des Genres bereits angelegt waren: schwere Rhythmen und verzerrte E-Gitarren, Männlichkeit und Eskapismus.
Musikalische Gegenbewegung
Heavy Metal entstand in den frühen 1970er-Jahren als Gegenreaktion zur Hippie-Bewegung, deren blumiges Glücksversprechen auch in Easy Rider hinterfragt wurde. Diese Entstehungsgeschichte teilt Metal mit Punkrock, allerdings nicht dessen Nihilismus. Während in den Fußgängerzonen der Städte die No-Future-Generation Bierdosen leerte, verlor sich die Landjugend in den schier endlosen Soli von Led Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page und ließ sich von Black Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne die eigenen Albträume vertonen. Musikalisch gesehen war der frühe Heavy Metal kaum mehr als schneller und härter gespielter Bluesrock. Seit jenen Anfängen hat sich allerdings viel getan. Der klassische Heavy Metal von Deep Purple, Led Zeppelin oder Black Sabbath, der in den 1970er-Jahren eine kommerzielle Blütezeit erlebte, existiert heute kaum noch. Noch in den 1980er-Jahren war Heavy Metal regelmäßig in den allgemeinen Hitlisten zu finden. Van Halen und Mötley Crüe waren Weltstars, Alice Cooper oder Kiss führten ein theatralisches Element in ihre Bühnenauftritte ein und Bon Jovi oder Europe schließlich dockten mit einer weich gespülten Version, die oft als Hairspray Metal verunglimpft wurde, das Genre endgültig an die Pop-Charts an.
Vielfältige Stilrichtungen, unterschiedliche Fans
Aber dann verschwand der Metal weitgehend im Untergrund, integrierte mannigfaltige Einflüsse und diversifizierte sich. Heute sind die zahlreichen Stilrichtungen kaum noch zu erfassen: Glam Metal und Black Metal, Thrash-, Death- und Doom Metal, Alternative und Nu Metal, die allesamt noch feinere Verästelungen und Sub-Genres kennen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Sparten sind oft fließend, die Kriterien häufig selbst Insidern kaum bekannt. Das Spektrum reicht von opernhaftem Metal, der komplexe Strukturen und Harmonien aus der klassischen Musik adaptiert, bis zum Grindcore, dessen Songs bisweilen nur aus einem kurzen Grunzen bestehen.
So verschieden die Genres, so verschieden sind auch die Fans. Metal wird gehört von Bikern und Bauernsöhnen, Lehrern und Lehrlingen, Hauptschülern, Heilpädagogen und vielen anderen. Eines aber haben diese Fan-Gruppen gemeinsam: Der Metal-Anhänger ist meist männlich, Frauen sind in dieser Jugendkultur noch immer unterrepräsentiert. Lassen sich die Fans der Szene schon kaum über einen Kamm scheren, so kann auch kommerziell von Homogenität keine Rede sein. Metal kennt auf der einen Seite Bands, die sich aus Überzeugung dem Musikgeschäft verweigern und bewusst unabhängig von den großen Plattenfirmen agieren. Andererseits verkaufen Superstars wie Metallica oder AC/DC immer noch Millionen Platten. Dazwischen gibt es weltweit eine riesige Szene, die längst eine funktionierende Infrastruktur entwickelt hat, mit Plattenlabels und Vertrieben, Magazinen und Websites, Clubs und Mammut-Festivals.
Ausdruck von Protest und Rebellion
Solche Erfolge zeigen, dass die Ästhetik von Heavy Metal, zumindest Teile davon, längst mehrheitsfähig geworden ist. Trotzdem taugt sie noch zum Ausdruck von Widerspruch. Denn natürlich geht es für den Fan – wie in jeder anderen Jugendkultur auch – um Abgrenzung zur Welt der Erwachsenen, um Rebellion, auch wenn sie manchmal ritualisiert und inhaltlich entleert sein mag. Die Pose, die Haltung, das Gegen-etwas-Sein ist – zumindest in den Jahren während und nach der Pubertät – viel wichtiger als das Dafür-Sein. Heavy Metal bietet für eine solche Protesthaltung optimale Voraussetzungen, weil sowohl musikalisch als auch textlich stets nach Extremen geforscht wird: Thrash Metal wird möglichst schnell gespielt, Doom Metal möglichst langsam.
Die Texte von Death Metal beschäftigen sich nahezu ausschließlich mit Verfall und Vergänglichkeit, viele Bands beziehen ihre Lyrik direkt aus Horror- und Splatter-Filmen. Je nach Sichtweise der Rezipienten/innen kann manch grobschlächtiger Reim als gewaltverherrlichend oder gesellschaftskritisch interpretiert werden. Viele Bands kritisieren das Christentum als Symbol für Lustfeindlichkeit und Unterdrückung, andere kokettieren auch mit heidnischen oder nationalsozialistischen Symbolen wie Runen und Hakenkreuzen. Der Satanismus, der Szene gern flächendeckend unterstellt, ist allerdings selten wirklich ideologisch unterfüttert und in den meisten Fällen nur ein weiteres Mittel der Provokation. Zwar ist auf Metal-Festivals der satanistische Gruß, bei dem mit gestreckten Zeige- und kleinem Finger die Hörner des Teufels imitiert werden, oft zu sehen. Von denen, die ihn benutzen, wissen jedoch nur die wenigsten, dass es sich beim klassischen Satanismus mitnichten um die Anbetung des Teufels handelt, sondern um die Erhöhung des Menschen zum Gott.
Vorurteile und lustvolle Provokation
Die Hintergründe und musikalischen Entwicklungen werden in den etablierten Medien jedoch kaum diskutiert. Diese interessieren sich nur punktuell für Heavy Metal, weil er seit den 1980er-Jahren nur noch selten Mega-Stars mit Strahlkraft über die eigene Szene hinaus produziert. Metallica sind momentan wohl die einzigen, die regelmäßig den Sprung in die breite Öffentlichkeit schaffen. Andere Bands wie The Darkness weisen lediglich sporadische Erfolge auf. Nur wenn Skandale und Schauergeschichten Vorurteile bestätigen, wird Metal wieder einmal zum öffentlichen Thema. Hier sind Parallelen zur Gothic-Szene zu erkennen, eine der wenigen Jugendkulturen, die ein noch schlechteres Image hat. Wiederholt wird von schwarzen Messen und Teufelsanbetungen berichtet, von Gewaltorgien und sogar Blutopfern. Doch die meisten der Geschichten stellen sich als aufgebauscht heraus.
Die große Mehrheit der Fans ist friedlich. Die Musik dient ihnen als Tor in eine andere Welt. Nicht zufällig sind viele auch begeisterte Computer-Spieler und zahlreiche "games" nutzen Metal-Musik für die Soundtracks. Aber im "zivilen" Leben wird das Haar zum Zopf gebändigt, die Montur aus schwarzem T-Shirt und nietenschwerer Lederjacke wandert in den Schrank. Ausgepackt wird sie regelmäßig für Festivals wie in Wacken, wo Zehntausende mit szene-eigenen Ritualen wie dem Headbangen (Auf- und Abschleudern des Kopfes) im Moshpit (die wogende Masse vor der Bühne) ihr Anderssein feiern – und sich freuen, wenn sich die Bürgerschaft doch noch ein wenig provoziert fühlt.
Autor/in: Thomas Winkler, 29.03.2007
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