Interview
Wie ein Befreiungsschlag...
Ein Gespräch mit Rolf Schübel
Das Interview führte Margret Köhler.
Interviewpartner: Rolf Schübel
Wo liegt für Sie der Fokus – auf der Liebes- oder der Zeitgeschichte?
Das kommt ganz auf meine Stimmung an. Ich habe versucht, eine Gleichwertigkeit herzustellen, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte mit einer speziellen Zeit zu verzahnen. Gleichzeitig handelt der Film durch den Brückenschlag von der Vergangenheit zur Gegenwart auch von Verrat, Freundschaft, Schuld und Sühne.
Inwieweit unterscheidet sich Ihr Film von Nick Barkows Roman?
Der Roman ist sehr elliptisch mit vielen Rückblenden und Wiederholungen erzählt und besteht hauptsächlich aus der Geschichte von László Szabó und Hans Eberhard Wieck, dem Zusammenprall von offener Lebensfreude und verklemmtem Kleinbürgertum. Wir haben dann die Love-Story über die Zerbrechlichkeit des Glücks dazu erfunden und versucht, den Zauber des Romans im Drehbuch zu erhalten und den Zauber des Drehbuchs auf die Leinwand zu bringen.
Was machte den Zauber aus?
Die gelungene Mischung aus Bitternis und Humor, Traurigkeit und Leichtigkeit. An manchen Stellen kann man sogar lachen, das wirkt wie ein Befreiungsschlag.
Was ist das für ein Gefühl, in Ungarn einen Film über die Anfänge der Nazi-Zeit zu drehen?
Es war psychologisch nicht so heikel. Ein Teil der Dreharbeiten von Das Heimweh des Walerjan Wróbel fand in Auschwitz statt, hinter mir lag also schon eine intensive und belastende Erfahrung. Es gab aber sehr anrührende Gespräche in Budapest mit Leuten vom Team über die Besetzung Ungarns durch die Deutschen. In der Nähe der Synagoge steht ein eindrucksvolles Holocaust-Denkmal. An einem Baum hängen ganz viele silberne Blättchen mit den Namen ermordeter Opfer. Bei jedem Windstoß fängt dieser Baum an zu wispern und zu sprechen. Man muss aufpassen, dass man nicht anfängt zu weinen. Dieses Erlebnis hat mich bestärkt, die Vergangenheit im Film nicht ruhen zu lassen.
In den 70er Jahren haben Sie mal geäußert "Unsere eigene Position verstanden wir als aufklärerische". Gilt das heute noch?
Solange das Aufklärerische nicht mit Nagelstiefeln daherkommt, sondern sich mit Unterhaltung verbindet, verliert diese Position nicht ihre Berechtigung. Man muss sich sehr gut überlegen, in welcher Form man der jüngeren Generation Geschichte vermittelt. Trotz allen Grauens gab es auch ein Stück Normalität mit Liebe, Hass, Eifersucht. Wir müssen das Gefühl ansprechen und dennoch mehr aus dieser Epoche herausholen als einen bunten Hintergrund. Allein die Wiederholung historischer Fakten und Besserwisserei lockt keinen Zuschauer ins Kino. Und die ewig Gestrigen erreichen wir sowieso nicht. Mit dem Dritten Reich als Filmstoff kann man jetzt anders umgehen als in den 50er oder 60er Jahren. Damals hätte man durch diese emotionale Herangehensweise wahrscheinlich falsche Freunde gewonnen.
Ist der Charakter des László Szabó typisch für die Zeit? Er verschloss die Augen vor der faschistischen Gefahr.
László ist ein liberaler, weltoffener und kluger Mann. Er gehörte zu denen, die damals die Zeichen der Zeit falsch einschätzten, weil sie sich einfach nicht vorstellen konnten, was passierte. Diese Haltung brachte ihm und vielen anderen den Tod.
Zur Zeit beschäftigen sich eine Reihe von deutschen Filmen mit ganz unterschiedlichen Aspekten des Dritten Reichs. Wie erklären Sie sich diesen Trend?
Vielleicht ist es ein Zufall. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Faschismus als einschneidende Epoche dieses Jahrhunderts uns immer noch bewegt, wir von diesem brisanten Thema nicht loskommen und uns ihm deshalb immer wieder filmisch nähern.
Autor/in: Margret Köhler, 11.12.2006