Das Interview führte Margret Köhler.
Was reizt Sie immer wieder an der Mischung aus Musik und Historie?
Maestro,
Farinelli und
Der König tanzt sind eine Trilogie, in der die Musik das zentrale Element bildet. Musik ist eine eigene Filmsprache, die leider viel zu oft vernachlässigt wird. Vor allem in US-Produktionen reduziert man sie auf Berieselung und Untermalung. Für mich sind Handlung, Dialog und Musik gleichberechtigt. Wie Truffaut und Fellini beziehe ich die Musik von Anfang an in die Arbeit ein.
Glauben Sie, ein junges Publikum, die MTV-Generation, zu erreichen?
Das wäre natürlich schön. Aber ich habe keinen Videoclip gemacht, auch wenn der Film auf Musik geschnitten ist. Mein Film reflektiert die Beziehung zwischen Macht und Musik, zeigt auch die Gefährlichkeit dieser Beziehung, ein heute noch aktuelles Thema.
Warum dann einen Kostümfilm, wenn man diese Problematik auch gegenwartsbezogen darstellen kann?
Der Kostüm- oder besser gesagt Historienfilm ist etwas Besonderes, auch wenn die Kritik ihn nicht goutiert. Die Grundvoraussetzung der Handlung ist immer gegeben, der Rest ist Fantasie und Kreativität. Man kann alles erfinden, von der Kleidung bis zum Bartstoppel im Gesicht. Diese unendlichen Möglichkeiten interessieren mich, man taucht in eine andere Welt ein.
Inwieweit entsprechen die Figuren der Historie?
Ich war der historischen Wahrheit noch nie so nahe wie hier. Das kann man kontrollieren. Ich habe mindestens 50 Bücher gelesen. Louis XIV. als tanzender König ist relativ unbekannt, das machte den Reiz aus. In Frankreich zeigte man sich erstaunt, dass ich es gewagt habe, Jean-Baptiste Lully als in den König verliebt zu zeichnen. Es geht doch darum, auch mal etwas hinter die Kulissen des Hofes zu schauen. Die Beziehung zwischen den beiden wurde nie richtig analysiert. Nicht nur die homoerotische Komponente spielte eine Rolle, Lully hoffte auch, sich durch den mächtigen König eine eigene Machtposition zu schaffen und merkte vielleicht nicht, wie er selbst instrumentalisiert wurde. Für tragisch halte ich es, dass die Freundschaft des Männertrios Lully, Molière und Louis XIV. durch den Zuwachs von Macht zerstört wurde.
Wie drückt sich diese Machtkonstellation durch Musik aus?
Ganz einfach, Vergnügen war immer auch Politik. Der König benutzt den Tanz und damit die Musik zur Selbstdarstellung, um seine Macht und die soziale Struktur am Hofe optisch zu manifestieren. Die Figuren, die die Tänzer auf den Boden zeichnen, haben symbolische Bedeutung. Alles dreht sich um den Sonnenkönig.
Wieso dauerte es sechs Jahre von Farinelli bis zu diesem Film?
Allein am Drehbuch laborierten wir zwei Jahre. Ich will mit dem fertigen Produkt 100%ig zufrieden sein.
Der König tanzt war akribisch vorbereitet, es gab 1200 Zeichnungen, ein detailliertes Storyboard. Auch mit dem Kameramann Gérard Simon habe ich lange vor Drehbeginn die Bildkomposition entworfen. Wichtig war mir beispielsweise eine bestimmte Farbdramaturgie – auf der einen Seite die Vitalität der Farben beim Sonnenkönig, auf der anderen das Dunkel des Todes. Allein an dieser diffizilen Verbindung zwischen kalten und warmen Farben haben wir lange herum experimentiert.
Ist es heute einfacher, Künstler zu sein als damals in Versailles?
Damals war man als Künstler vom König abhängig, er bestimmte, was Kunst war. Wer nichts mehr nutzte, wurde wie ein nasser Waschlappen weggeworfen. Heute übernimmt das Fernsehen die Rolle des Königs, es vergibt und entzieht selbstherrlich Aufträge.