Das Interview führte Margret Köhler.
Bei der Betrachtung Ihres Films zieht man fast automatisch Parallelen zur Gegenwart. Wiederholt sich Geschichte?
Sie hat nie aufgehört, sich zu wiederholen. Derselbe Paternalismus, der Amerika in das Abenteuer Vietnam gejagt hat, beeinflusst die US-Außenpolitik seit Dezember 1941. Als Japan Pearl Harbor bombardierte, gab Amerika seine politische Isolation auf und griff ein. Seitdem will es die Welt immer von irgendetwas befreien, auch wenn die Welt das nicht will. Die Mechanik des Verhaltens ändert sich nicht, nur die Ismen. Erst war es Nazismus, dann Kommunismus, jetzt Terrorismus.
Ein ziemlich deprimierendes Fazit.
Ich weiß. Aber dieser Paternalismus ist von einer vielleicht falschen Verantwortung geleitet. Sogar der Vietnam-Krieg wurde mit den besten Intentionen begonnen. Oder nehmen Sie den Irak-Krieg, den Amerika vom Zaun gebrochen hat: Immer geht es um eine bestimmte Vorstellung von Freiheit und damit halten die Übeltäter ihre Motivation für gerechtfertigt. Natürlich würde ich lieber dem Prinzip Hoffnung huldigen und glauben, wir würden aus der Geschichte lernen, statt die gleichen Fehler zu wiederholen.
Wann haben Sie Graham Greenes Roman "Der stille Amerikaner" gelesen?
Auf der Uni im Schnelldurchgang. Und dann noch einmal auf meiner Vietnamreise 1995. Ich war mit einer Gruppe von Ex-Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, damals eine Art Vorhut der CIA, die 1945 mit Fallschirmen in Nordvietnam landete und die kleine Armee eines noch unbekannten Mannes namens Ho Chi Minh aufrüstete und trainierte, um einen Guerillakrieg gegen Japan zu führen. Acht Wochen später erklärte Ho Chi Minh Vietnam für unabhängig. Ist es nicht absurd, dass die Amerikaner ihren zukünftigen Feinden das Töten beibrachten? Fünfzig Jahre später kamen einige Amerikaner zurück, um ihre damaligen Mitkämpfer im Dschungel zu treffen, sogar den legendären General Giap. Da habe ich Greenes Buch noch einmal gelesen und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Der Roman gab mir die Antwort auf die Frage, wie es zu diesem Krieg kommen konnte.
In Joseph L. Mankiewicz' Verfilmung von 1958 gibt es ein völlig anderes Ende.
Seinen Film müssen wir im zeitgenössischen Kontext sehen, er entstand am Ende der McCarthy-Ära. Man schob die Schuld an den Terroranschlägen in Vietnam nicht den Amerikanern in die Schuhe, sondern den Kommunisten. Dem englischen Korrespondenten bescheinigte man lapidar, er sei auf eine kommunistische Verschwörung hereingefallen. Das passte in das damalige Weltbild, als Hollywood und ganz Amerika von einer Kommunisten-Paranoia gepackt wurden. Ein Vergleich zur Gegenwart drängt sich auf. Nach dem 11. September erleben wir in Amerika erneut eine Welle von Patriotismus. Die Änderung des Endes war auch nicht Mankiewicz' Idee, sondern wurde von der CIA vorgeschlagen. Ich habe den Brief des CIA-Agenten Edward Lonsdale an Mankiewicz selbst gelesen. Dabei hatte der Regisseur Lonsdale, den Architekten der schmutzigen Tricks auf den Philippinen und in Vietnam, eigentlich nur um technische Unterstützung bei den Dreharbeiten gebeten. Wir sollten nicht über Mankiewicz richten.
Erkennen Sie bei der Figur von Alden Pyle, dem "stillen Amerikaner", eine Form von Schuldbewusstsein? Er wirkt so naiv.
Er war sich sehr wohl der Tragweite seiner Taten bewusst. Bevor er zur Exekution geht, steht er mitten auf der Brücke und man sieht in diesem Moment seinem Gesicht an, wie er nachdenkt. Er war vielleicht naiv, aber nicht unschuldig. Als Spion war er gedrillt, verdeckt zu arbeiten und sich nicht zu offenbaren.
Was interessiert Sie so an Polit-Filmen? Die Stunde der Patrioten und Das Kartell behandeln ebenfalls brisante Stoffe.
Da muss ich in mein Familien-Nähkästchen greifen. Mein Großvater war Missionar, mein Vater Spion im Zweiten Weltkrieg. Diese Kombination bleibt nicht ohne Folgen auf die Nachkommen; in meinen Filmen ist beider Einfluss zu spüren. Als Kind habe ich den verrückten Erzählungen meines Vaters mit offenem Mund gelauscht. Der erfuhr oft erst in letzter Minute vor dem Einsatz, um was es eigentlich ging.
Mit Long Walk Home und dem neuen Projekt Dirt Music beschäftigen Sie sich wieder mit australischen Themen.
Das stimmt, aber der nächste Film spielt wieder in den USA:
Amerikanisches Idyll nach dem Pulitzerpreis gekrönten Roman von Philip Roth über die turbulente Zeit der späten 1960er. Ich kann es einfach nicht lassen. Vielleicht liegt es daran, dass Australier und Amerikaner ähnliche Erfahrungen machten. Beide kämpften in Vietnam, verfolgen oft eine ähnliche Politik.
Eine Frage zum Schluss: Wer hat Recht? Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der den Menschen an sich als gut empfindet oder Thomas Hobbes, der den Menschen als des Menschen Wolf definiert?
Beide haben Recht und beide haben Unrecht. Der Mensch entwickelt sich nur sehr langsam, was die gegenwärtige Weltlage bestens beweist. Eine kultivierte und demokratische Gesellschaft wie Amerika kehrt zur Caveman-Priorität zurück, das heißt, sie ruft zu einer Art Kreuzzug auf, um die Opfer des 11. September zu rächen. Auge um Auge, Zahn um Zahn; das gab es doch schon in der Bibel.