Israel im Film - 50 Jahre Israel
Am 14. Mai 1948 erlosch das britische Mandat über Palästina; am gleichen Tag rief der Jüdische Nationalrat den unabhängigen jüdischen Staat Israel aus. Damit ging ein 2000 Jahre lang gehegter Traum in Erfüllung: die Rückkehr in das Land der Verheißung. Was vor 50 Jahren begann, entwickelte sich zu einer bewegten und konfliktreichen Geschichte, die sich auch in der Filmproduktion des Landes spiegelt.
Unmittelbar vor und nach der Staatsgründung vermitteln vorrangig Dokumentarfilme und Dokudramas ein heroisches Bild des 'neuen' Israelis, der ums Überleben kämpft, dem die nationale Gemeinschaft harte Opfer abverlangt. Zu Beginn der 60er Jahre emanzipiert sich der Film von seinen didaktischen Aufgaben und bringt ein vielfältigeres Themenspektrum auf die Leinwand: die lntegration der großen Einwanderungswellen, das Zusammenprallen orientalischer und europäischer Kulturen, die Konflikte zwischen religiösen und säkularen Juden. In den 80er Jahren dominiert der kritische politische Film. Die spannungsreichen Beziehungen zwischen Juden und Arabern werden differenzierter dargestellt. Hamsin von Daniel Wachsmann ist der erste Film, der so sensible Themen aufgreift wie Landenteignung durch die israelische Regierung oder sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Arabern. "Hamsin" heißt der drückend heiße Wüstenwind – in diesem Film Metapher für die aufgestauten Emotionen, die sich in einem unkontrollierten Ausbruch von Hass und Leidenschaft entladen. In Avanti Popolo von Rafi Bukai stoßen nach dem Waffenstillstand des 6-Tage-Krieges zwei ägyptische Soldaten in der Sinai-Wüste auf eine israelische Patrouille. Einer der ägyptischen Soldaten bittet die Israelis um Wasser, indem er Shylocks Monolog aus "Der Kaufmann von Venedig" rezitiert: "Ich bin ein Jude. Hat nicht auch ein Jude Hände, Gliedmaßen, Leidenschaften ...?" Ein deutlicher Hinweis auf die Menschenwürde, die auch ein Besiegter hat. Um gegenseitiges Verständnis geht es auch in Cup Final von Eran Riklis: Während des Libanonkrieges wird ein israelischer Reservist von einer PLO-Einheit gefangen genommen, die mit ihm als Faustpfand versucht, sich nach Beirut durchzuschlagen. Zur gleichen Zeit finden in Spanien die Fußballweltmeisterschaften statt, die man nach Möglichkeit im Fernsehen verfolgt. Auf diese Weise entdecken der Israeli und der Anführer der Araber ihre gemeinsame Leidenschaft für das italienische Team; eine fragile Freundschaft deutet sich an. Doch wie in Avanti Popolo endet der Film mit dem Tod der Araber. Die politische und militärische Logik obsiegt über die zaghaften Versuche der Annäherung und des gegenseitigen Verständnisses. Optimistischer gibt sich der Film Jenseits der Mauern von Uri Barbash: Hier wird der jüdisch-arabische Konflikt hinter die Mauern eines Hochsicherheitsgefängnisses verlagert, wo arabische politische Gefangene und jüdische Kriminelle von der Gefängnisleitung gegeneinander ausgespielt werden, bis sie sich gemeinsam gegen diese solidarisieren.
Ende der 80er Jahren ist die Zeit reif, die traumatischen Auswirkungen des Holocaust auf die erste und zweite Generation der Überlebenden zu thematisieren, ein Sujet, das lange tabu war. Exemplarisch dafür sind der Dokumentarfilm Wegen dieses Krieges von Orna Ben-Dor Niv und die international erfolgreichen Spielfilme Aviyas Sommer und Unter dem Maulbeerbaum von Eli Cohen nach den Romanen von Gila Almagor, die hier ihre eigenen Kindheitserinnerungen aufarbeitet: Im ersten Film verbringt die zehnjährige Aviya nur einen Sommer mit ihrer depressiven Mutter, die in die Psychiatrie eingeliefert wird, weil die quälenden Erinnerungen an das Konzentrationslager sie unfähig gemacht haben, ein normales Leben zu führen. In der Fortsetzung geht es um Aviyas Erlebnisse in einem Waisenhaus, in dem sie zusammen mit Kindern, die den Holocaust überlebt haben, untergebracht ist. Eine filmische Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft mit ihren Problemen und Konflikten gibt Assi Dayan in Life according to Agfa, die Apokalypse des täglichen Mit- und Gegeneinander in einer Bar im Tel Aviv der 90er Jahre.
Autor/in: Petra Maier-Schoen, 12.12.2006