In einem getarnten Büro mitten in New York arbeitet Joseph Turner als Mitglied einer obskuren CIA-Einheit, die der Entschlüsselung von geheimen Codes in internationaler Literatur nachgeht. Als er von einer Mittagspause zurückkehrt, findet er seine Kolleg/-innen allesamt tot vor - brutal erschossen. Zwar müsste er als CIA-Mitarbeiter auf solche Situationen vorbereitet sein, doch nicht einmal sein Deckname "Condor" will ihm beim Absetzen des Notrufs einfallen. Schließlich trifft Rettung aus dem Hauptquartier ein, die es allerdings ebenfalls auf sein Leben abgesehen hat. Turner gelingt gerade noch die Flucht, indem er sich gewaltsam Zugang zur Wohnung der Fotografin Kathy verschafft und dort Unterschlupf findet. Mit ihrer Unterstützung kommt Turner schließlich einer Verschwörung auf die Spur, die bis in die obersten Ränge der CIA reicht.
Die drei Tage des Condor reiht sich in eine Serie US-amerikanischer Paranoia-Filme der 1970er-Jahre ein. Wie etwa in
Zeuge einer Verschwörung (
The Parallax View, 1974) oder
Der Marathon-Mann (
Marathon Man, 1976) steht auch hier die Entfremdung eines einzelnen Menschen von einer undurchschaubaren und feindlich erscheinenden Welt im Fokus. Die allgegenwärtige und unsichtbare Gefahr einer Verschwörung drückt sich vor allem in
Tele-Einstellungen aus, die den Protagonisten im Bild isolieren und einen überwachenden Blick einnehmen. Der beklemmende Eindruck einer weitreichenden Verstrickung wird in Sydney Pollacks Film noch dadurch verstärkt, dass mitunter Dialoge in den nachfolgenden Szenen im Off weitergeführt werden Wie ein stetiges Echo liegen sie etwa über
weiten Ansichten von
Manhattan. Die
Musik hingegen setzt der Regisseur antithetisch ein: Entgegen den Konventionen des
Thriller-Genres werden Mordanschläge und Verfolgungen kaum mit Spannungsmusik verstärkt, was hier das Gefühl mechanischer Abläufe erzeugt. Der Soundtrack aus warmem Funk und Soft-Rock füllt eher die
Sequenzen dazwischen und bietet eine atmosphärische Grundlage für die von Robert Redford verkörperte, charismatische Hauptfigur, die von Brüchen gezeichnet ist: Je nach
Szene changiert er zwischen Bücherwurm und Liebhaber, verstörtem Opfer und souveränem Agenten. Der hierdurch erzeugte, ironische Grundton, aber auch die Darstellung als zweifelnder wie zweifelhafter Held, der seine einzige Verbündete mit Gewalt festhalten muss, weicht von einer typischen
Thriller-Figur ab. Auch darin ähnelt
Die drei Tage des Condor anderen Filmen des
New Hollywood-Kinos, das die Sehgewohnheiten US-amerikanischer Zuschauer/-innen in den 1960er- und 1970er-Jahren hinterfragte.
Im schulischen Kontext kann der Film als Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit konspirativen Strukturen in der US-amerikanischen Politik der 1970er-Jahre dienen, die beispielsweise bei der Watergate-Affäre oder den "Family Jewels"-Untersuchungen zu geheimen Machenschaften der CIA sichtbar wurden. Auch die Hintergründe der Morde an John F. und Robert Kennedy sowie den Bürgerrechtlern Malcolm X und Martin Luther King in den 1960er-Jahren trugen zur gesellschaftlichen Verunsicherung bei, vor der das Paranoia-Kino seine Geschichten etabliert. In den Fächern Politik und Ethik lässt sich ausgehend vom Film die Entstehung von Verschwörungserzählungen analysieren und mit aktuellen Phänomenen wie etwa der QAnon-Bewegung vergleichen. Im Deutsch- und Englischunterricht ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Protagonistin denkbar, die selten außerhalb der Doppelung als Objekt der Begierde oder reines Vehikel des Plots agiert. Nicht zuletzt spielt die Musik der 1970er-Jahre eine große Rolle in Pollacks Film, sodass im Musikunterricht die Verknüpfung von musikalischen Mustern und der
Inszenierung einer Filmfigur diskutiert werden kann.
Aufgabe: Hinführung zum Film Die drei Tage des Condor (USA 1975, Regie: Sydney Pollack)
Fächer: Deutsch, Englisch, Geschichte, Politik ab Klasse 11, ab 16 Jahren
Vor der Filmsichtung:
a) Sehen Sie sich die
Anfangssequenz (Timecode: 00:00:00-00:10.30) des Films
Die drei Tage des Condor an.
Formulieren Sie im Plenum Ihre Erwartungen an den Film: Welchem
Genre und welcher Zeit würden Sie die Handlung des Films zuordnen? Gehen Sie in Ihrer Begründung auf den Plot,
Schauplätze, das Szenenbild und die
Kostüme ein.
b) Der Film wird dem "New Hollywood" zugerechnet. Tauschen Sie sich im Plenum darüber aus, was sie bereits darüber wissen. Ergänzen Sie Ihr Wissen mit Hilfe des
Glossar-Eintrags auf kinofenster.de sowie auf der Seite
filmlexikon.uni-kiel.de. Geben Sie in eigenen Worten wieder, welche formalen und inhaltlichen Kriterien "New-Hollywood-Filme" kennzeichnen.
Während der Filmsichtung:
c) Achten Sie arbeitsteilig auf die Figurenzeichnung Joseph Turners, auf den zentralen Konflikt des Films und welche filmästhetischen und erzählerischen Elemente sich dem "New Hollywood" zuordnen lassen. Machen Sie sich direkt nach der Filmsichtung stichpunktartige Notizen.
Nach der Filmsichtung:
d) Tauschen Sie sich über Ihre Sichtungseindrücke im Plenum aus: Was hat Sie besonders überrascht und/oder berührt? Haben sich Ihre Vermutungen aus Aufgabe a) erfüllt?
e) Charakterisieren Sie gemeinsam mit einer Partnerin/einem Partner den Protagonisten Joseph Turner. Greifen Sie dabei auf Ihre Notizen aus Aufgabe c) zurück. Stellen Sie Ihre Ergebnisse im Plenum vor.
f) Sammeln und vergleichen Sie im Plenum die Kriterien, die dafür ausschlaggebend sind, dass der Film dem New Hollywood zugeordnet werden kann.
g) In den 1970er-Jahren erschütterten zahlreiche politische und nachrichtendienstliche Affären das Vertrauen der US-amerikanischen Bürger/-innen in staatliche Institutionen. Recherchieren Sie arbeitsteilig zur sogenannten Watergate-Affäre (
Gruppe A) und den "Family-Jewels"-Untersuchungen (
Gruppe B).
Nutzen Sie folgende Artikel als Ausgangspunkt Ihrer Recherche:
Gruppe A:
•
zeit.de: Richard Nixon und die Watergate-Affäre (kostenlose Registrierung notwendig)
Gruppe B:
•
spiegel.de: CIA-Geheimakten bestätigen US-Mordplan gegen Castro
•
sueddeutsche.de: Die CIA verfasst Handbücher für gezielte Tötungen
h) Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse. Diskutieren Sie den Zusammenhang der Ereignisse und des damals neuen Thriller-Sub-Genres
Paranoia-Kino.
i) Verfassen Sie in Einzelarbeit eine
Filmkritik zu
Die drei Tage des Condor. Stellen Sie darin Bezüge zum New Hollywood und dem Paranoia-Kino her.
Autor/in: Hannes Wesselkämper (Filmbesprechung), Hanna Falkenstein (Arbeitsblatt), 19.11.2020
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