Nur 100 Schritte liegen zwischen dem Elternhaus von 'Peppino' Guiseppe Impastato und dem Haus von Gaetano Badalamenti, dem Oberhaupt der lokalen Mafia von Cinsi, einem Ort bei Palermo. Ginge es nach seinem Vater Luigi, dann hätte Peppino eine wichtige Position in der Organisation von Onkel Tano übernehmen sollen. Doch der entschied sich schon als Junge, nachdem sein Lieblingsonkel bei einem Sprengstoffanschlag rivalisierender Mafiosi ums Leben gekommen war, gegen die Mauer des Schweigens, die seine Familie lähmt. Mit kommunistischen Freunden baut Peppino in den Siebzigerjahren einen kleinen Radiosender aus, mit dem er die Machenschaften der organisierten Kriminalität anprangert. Als seine Angriffe den Mafiabossen zu lästig werden, erhöhen sie den Druck auf den Vater Luigi, der sich jedoch nicht zwischen der Liebe zu seinem Sohn und der Zugehörigkeit zur Mafia entscheiden kann. Schließlich fällt Peppino einem Mordanschlag zum Opfer. – Marco Tullio Giordano verarbeitet in dem vielfach ausgezeichneten Film, der in Italien immerhin 570.000 Besucher in die Kinos lockte, den authentischen Fall eines sizilianischen Mafia-Opfers zu einem spannenden Polit-Thriller, der angesichts der medienpolitischen Rochaden eines machtbewussten Silvio Berlusconi an Aktualität gewinnt. Aus der historischen Begebenheit, die erst im Jahr 2002 zur Verurteilung des Schuldigen führte, hat der Regisseur kein dröges Kino-Lehrstück gemacht und auch kein sentimentales Melodram. Vielmehr schildert er präzise, unaufdringlich und in ruhigem Rhythmus das Leben des Protagonisten in der sizilianischen Provinz, seine Rebellion gegen die allmächtig scheinende Mafia, seine Auseinandersetzungen mit Spießern, Kommunisten und Hippies und sein absehbares Scheitern. Manchmal wirken die Aufnahmen des nur vordergründig idyllischen Dorflebens geradezu dokumentarisch. Eine beinahe archaische Dimension gewinnt die atmosphärisch dichte Inszenierung andererseits, wenn Vater und Sohn sich immer wieder zerstreiten. Als packendes Porträt einer tragischen Rebellion bringen die 100 Schritte das Publikum zum Nachdenken über die nachwachsenden Krakenarme der Organisierten Kriminalität, das noch immer tabuisierte Regiment des Schweigens und die Grenzen der demokratischen Machtkontrolle.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.08.2003